taz ohne Frauenseite

■ betr.: "Das Innere der lahmen Bestie" und andere, taz vom 21.4.90

betr.: „Das Innere der lahmen Bestie“ und andere,

taz vom 21.4.90

Als der SFB die Zeitpunkte eingehen lassen und die frauenspezifischen Probleme locker und flockig über das gesamte Programm des SFB verstreuen wollte, da habt Ihr und da haben wir uns vehement dagegen gewehrt. Und zwar aus gutem Grund mit Erfolg. Und was macht Ihr jetzt? Ihr laßt die Seite „Frauen“ eingehen. Nicht zu fassen.

Elisabeth Leithäuser, Berlin

(...) Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre wurden im Hörfunk fast alle Frauenfunkabteilungen umbenannt (im BR zum Beispiel in Familienfunk) oder überhaupt aufgelöst und in andere Abteilungen integriert (Beispiel DRS Basel) mit der Auflage, Frauenthemen frei im Programm anzubieten. Auch Frauenseiten in Tages- oder Wochenzeitungen bekamen neue Namen (zum Beispiel 'SZ‘ Familie und Gesellschaft). Die Folge war, daß Themen, die sich nicht auf die herkömmliche Rolle der Frau wie Familie, Erziehung, Ernährung und so weiter oder allenfalls auf ihre Schwierigkeiten im Arbeitsleben bezogen, kaum mehr unterzubringen waren. Auseinandersetzungen mit feministischer Theorie wurde im BR beispielsweise Männern aus der Kulturredaktion anvertraut; sie geschah dann erwartungsgemäß mit hämischer Inkompetenz.

Die taz-Frauen wissen doch inzwischen, daß auch sich als „progressiv“ empfindende Männer, die ökologisch oder „links“ orientiert sind, die gleichen patriarchalen Mechanismen drauf haben wie die konservativen (höchstens anders getarnt). Vieles an Unbehagen der Redakteurinnen ist besonders Kolleginnen in anderen Medien nur zu verständlich, doch meinen wir angesichts der realen Machtverhältnisse: Lieber eine selbstverwaltete Nische als ein ständiges nervenaufreibendes Gerangel, bei dem der Erfolg in keinem Verhältnis zum Frust stehen wird. (...)

Erika Wisselinck für den Vorstand der Frauenstudien München e.V.

Mit tiefer Trauer habe ich die Todesanzeige der Frauenseite gelesen. Die Frauenseite war bisher der Ort, wo ich Berichte über Frauen in der sogenannten Dritten Welt unterbringen konnte. Anderthalb Jahre lang habe ich versucht, für die taz Aktuelles aus Afrika zu berichten. Was die aktuelle Redaktion ins Blatt brachte, gehört in das übliche Raster von „Krieg, Katastrophe, Korruption“. Für alles andere fand sich kein Platz auf den aktuellen Seiten. (...)

Wer die Dschungelgesetze, die in der taz-Redaktion herrschen, kennt, der fällt es schwer, an eine bevorstehende redaktionelle Läuterung zu glauben. Ich fürchte, daß die Frauen des Südens nun noch häufiger als bisher im Papierkorb landen werden. Schließlich haben sie doch einen geringen Sensationswert und sind so weit weg.

Christa Wichterich, Nairobi

(...) So gut ich die Frauen verstehen kann, die sich weigern, unter diesen Bedingungen weiterzumachen, finde ich, daß sich die restliche Redaktion und damit der Stellenwert der bisherigen Frauenredaktion ändern muß dahingehend, daß die Frauenthemen auf- und nicht abgewertet werden. (...)

Maria, Frauenzentrum Ebersberg

(...) Noch immer die gleiche Floskel, die ewige Leier! Da packt mich das kalte Grausen, dieser Bericht holt mich wieder zur harten, starren Realität zurück. Ich hatte tatsächlich die Illusion im Kopf, wir (wer ist wir?) wären wenigstens etwas weiter. Ich bin in Träumereien verfallen. Schluß damit!

Ich kann den Entschluß, die Frauenseiten aufzulösen, nur unterstützen. Frauenthemen umfassen das gesamte politische Feld der Ereignisse und der Berichterstattung. Dieser Bereich kann nicht losgelöst von der restlichen Weltpolitik gesehen werden, er gehört integriert! Solange das nicht Usus ist, verzichte ich auf die Alibi-Frauenseiten, die der taz und den anderen „Blättern“ eine kritische und natürlich „frauenfreundliche“ Position unterstreichen sollen. Nein Danke! (...)

Evelyn Schmidt, Gießen

betr.: LeserInnenecho auf die Aufgabe der Frauenseite,

taz vom 4.5.90

Ich bin erstaunt über die große Ablehnung der Entscheidung, die Frauenseite aufzugeben.

Sicher, es war bequem, frauenrelevante Themen auf immer derselben Seite zu finden; und diese Seite war auch ein wesentlicher Grund für mich, die taz zu abonnieren.

Aber ich habe es auch immer bedauert, daß Frauen sich ihrerseits wie Wesen mit besonderen Rechten auf einer speziellen Seite austoben konnten, jedoch gleichzeitig aus der „eigentlichen normalen“ Nachrichtenwelt ausgeklammert wurden, so als würde man über zu schützende Tiere in einem Naturschutzreservat berichten. Ich habe es daher sehr begrüßt, daß Nachrichten, Berichte, Kommentare und so weiter aus weiblichen Blickwinkeln nun als ganz normale Artikel eingesetzt werden sollen.

Dadurch kann es nun passieren, daß jemand, der die Frauenseite vielleicht überblättert hat, sich „versehentlich“ weiblich orientierte Berichterstattung zu Gemüte führt, und es gar nicht merkt.

Ich meine, dies ist die Chance, alle LeserInnen an frauenbezogene Themen zu gewöhnen, als ganz gewöhnlichen Teil der alltäglichen Berichterstattung. Solange ich also Artikel mit dem Niveau und der Perspektive der ehemaligen Frauenseite in der taz finde, und zwar täglich, werde ich die taz weiterhin mit Spaß und Interesse lesen.

Gerlinde Seidel, Heidelberg

P.S. Wieso gibt es im Impressum nur eine Leserbriefseite?

Antwort des fürs Impressum zuständigen Säzzers: „Wenn die Leserin keine anderen Sorgen hat!„

Anmerkung der die LeserInnenbriefe säzzenden Säzzerin: Von dieser Sorte KollegInnen gibt es in der taz eine ganze Menge. Mir scheint, wir müssen erst noch unsere KollegInnen daran gewöhnen alltäglich frauenbezogen zu denken (und das kann dauern!), bevor wir unsere LeserInnen mit alltäglicher frauenbezogener Berichterstattung erfreuen können.