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Brandstiftung aus „tiefgründigem Ausländerhaß“

Der Staatsanwalt fordert für den 20jährigen Neonazi Josef Saller vierzehn Jahre und sechs Monate wegen besonders schwerer Brandstiftung / Ermittlungsfehler der Polizei / Die Verteidigerin: Der Brand war ein „Unfall“  ■  Aus Amberg Bernd Siegler

„Ich schließe mich den Ausführungen meiner Verteidigerin an.“ Nach acht Verhandlungstagen bricht der 20jährige Josef Saller kurz sein Schweigen, um sich anschließend wieder grinsend zurückzulehnen und die Zuschauerbänke aus den Augenwinkeln heraus zu beobachten. Unscheinbar sieht er aus, der leicht untersetzte Mann im dunklen Anzug, schüchtern wirkt er. Saller ist fast nicht wiederzuerkennen. Er ist dünner geworden, die schwarzen Springerstiefel und die Bomberjacke fehlen, ebenso die schwarze Mütze und der Baseballschläger.

Das Grinsen vergeht Josef Saller auch dann nicht, als Staatsanwalt Demmel im Amberger Landgericht am Ende seines Plädoyers eine Gefängnisstrafe von 14 Jahren und sechs Monaten fordert und die Nebenklage sogar lebenslänglich in Betracht zieht. Beide sind davon überzeugt, daß Saller in der Nacht vom 16. auf den 17. Dezember 1988 in Schwandorfer Schwaigerstraße ein überwiegend von türkischen Familien bewohntes Haus angezündet hat. 16 Menschen waren zur Tatzeit im Haus und schliefen. Für Osman Can, seine Frau Fatma und ihren elfjährigen Sohn Mehmet sowie den Jürgen Hübener kam jede Hilfe zu spät. „Ich wollte nur Ausländer ärgern“, gestand Saller mehr als zwei Wochen später. Zwei Tage darauf widerrief er, dabei bleibt er bis heute. Akribisch nimmt Staatsanwalt Demmel den Wideruf auseinander, zählt Details aus dem Geständnis auf, die nur der Täter wissen kann, verweist auf das fehlende Alibi und darauf, daß drei Personen Saller in der Tatnacht unweit des Tatortes gesehen haben. Schließlich zitiert er Sallers Schwester Ingrid: „Mein Bruder gesteht nichts, wenn er es nicht auch gemacht hat.“

Auch im Motiv stimmen Anklagebehörde und die drei aus Nürnberg stammenden Nebenkläger Stöcklein, Schmitt-Reinholtz und Rudolph überein: Josef Saller war Mitglied der militanten neofaschistischen „Nationalistischen Front“ (NF) und hatte aus einem „tiefgründigen Haß gegen Ausländer“ das Feuer gelegt. In Schwandorf hatte Saller vorher „zielbewußt versucht, eine schlagkräftige Gliederung der Partei, eine Wehrkampfgemeinschaft“ zu gründen. Doch damit enden schon die Gemeinsamkeiten.

Im Gegensatz zu den Nebenklägern will der Staatsanwalt dem Angeklagten kein Tötungsdelikt vorwerfen. Seiner Meinung nach habe der damals 19jährige die Brandentwicklung nicht voraussehen können. Nebenkläger Schmitt-Reinholtz sieht die Tatbestandsmerkmale von Mord dagegn als erfüllt an. „Um sein Ziel, Angst und Schrecken bei Ausländern zu erzeugen, hat sich der Angeklagte mit dem Risiko, den Tod von Bewohnern, abgefunden.“

Von einer Tat mit explizit rechtsradikalem, organisiertem Hintergrund will Demmel erst recht nichts wissen. Das Selbstverständnis der Nebenkläger als Kontrollorgan der Ermittlungsbehörden hat ihn sichtlich geärgert. „Falsche Ermittlungstätigkeit“ wirft denn auch Rechtsanwalt Rudolph der Staatsanwaltschaft in seinem Plädoyer vor. In der Tat hatte sich die Kriminalpolizei schon am Tag von Sallers Geständnis auf die Einzeltäter - und Einzelgängervariante festgelegt - noch lange bevor eine Durchsuchung bei Josef Saller umfangreiches Propagandamaterial der NF und der „Freiheitlichen Arbeiterpartei“ (FAP) sowie Adressen von führenden Neonazis zu Tage gefördert hatte und noch lange bevor Sallers Umfeld in Schwandorf vernommen worden war. Zudem hat sich die Kripo bei den Ermittlungen mit wenigen Ausnahmen auf die Schwandorfer Skinheadszene beschränkt. „Das sind doch politische Nullen, nur Handlanger, die die Drecksarbeit machen“, beschreibt Nebenkläger Rudolph die 14 bis 16jährigen Skins, deren Führer Saller gerne gewesen wäre. Die führenden Köpfe der Neonaziszene ließ man dagegen unbehelligt. So wurde z.B. NF-Generalsekretär Meinolf Schönborn, der den „lieben Sepp“ mit Adressenmaterial versorgt und sich beim „Kamerad Josef“ für dessen „interessante Propagandavorschläge“ bedankt hatte, nie befragt.

Wie die politischen Ermittlungen geführt wurden, macht Anton Scherl von der KPI Amberg unfreiwillig deutlich: „Fragen nach der NF waren Saller unangenehm, die Vernehmung wurde dann abgebrochen.“ Fragen, die Querverbindungen zu den auch in der Oberpfalz starken „Republikanern“ hätten aufhellen können, waren wohl den Polizisten unangenehm. Wie anders ist es zu verstehen, daß nach Zeugenaussagen der heutige Schatzmeister der Schwandorfer Reps, Peter Klier, zusammen mit Saller an einem Treffen der Ende 1983 verbotenen „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten“ (ANS/NA) in Schwandorf teilgenommen hatte und nicht einmal dazu befragt worden war. Die Beamten begnügten sich mit der Auskunft der Mutter, ebenfalls Rep -Funktionärin, daß bei Sohn Peter keine Türkenfeindlichkeit bestehe. Aus den Asservatsbeständen fischen die Nebenkläger dann Bundesbahnfahrkarten nach Bielefeld, dem Hauptquartier der NF, zwei bis dahin ungeöffnete Briefumschläge, abgeschickt von dem militanten österreichischen Neonazi Gerd Honsik und einen Brief des Münchener FAP-Funktionärs Swierczek, der Saller zu einem „privaten Treffen, wo alles weitere besprochen werden kann“, einlädt. In die Akten waren diese Beweisstücke nicht gelangt. „Das sind irreversible Fehler“, empört sich Rudolph. Ein mögliches Organisationsdelikt nach den § 129 (kriminelle Vereinigung) bzw. § 129a (terroristische Vereinigung) sei so nicht mehr nachweisbar.

Für die Münchener Anwältin ist der Brand schlichtweg eine „Verkettung unglückseliger, schwerwiegender Umstände“, ein „Unfall“. Saller wollte nur „etwas Kleines“ anzünden, er hatte ja nur „so eine kleine Tatwaffe dabei“, betont sie und schwenkt dabei eine Streichholzschachtel in der Hand. Sie fordert wegen fahrlässiger Brandstiftung eine angemessene Strafe, jedoch „nicht über fünf Jahre“.

Ausländerfeindlichkeit ist für Rechtsanwältin Geiger „nicht Thema des Prozesses“. „Das was hier von den Zeugen gesagt worden ist, das hören Sie an jedem Stammtisch, das ist allgemeines Gedankengut bei jungen Leuten.“ So dient eine erschreckende Normalität als Entschuldigung und Verharmlosung für logische Taten. Barbara Geiger hat wahrscheinlich recht mit ihrer Beobachtung. Stellvertretend für die ausländerfeindliche Gesinnung der Schwandorfer Skins stehen die Äußerungen des 18jährigen Markus Schindler. Er ist gegen Ausländer, „weil die anders als Deutsche sind, uns Arbeitsplätze und Wohnungen wegnehmen und immer mehr werden“. „Ich bin demokratisch“, ordnet er sich schließlich politisch ein. Für den Lüneburger Skinhead ist „national ganz normal“, auch daß mit dem Baseballschläger „mal ein Türke tot geht“. „Ein Mensch, der weiß, was er will“, bezeichnet der 53jährigen Lackierermeister Vilmar Pablowski seinen Lehrling Josef Saller, der gerne bei der Bundeswehr eine Einzelkämpferausbildung absolvieren wollte. Doch Saller wurde wegen eines Augenfehlers ausgemustert. „Das ist halt unser Brauner gewesen“, fährt Pablowski fort.

Während für Staatsanwalt Demmel zwischen Einzelkämpfertum und organisierter Mitgliedschaft ein klaren Widerspruch besteht, hat die NF damit weniger Probleme: „Ein NF-Kamerad ist ein selbstbewußter, revolutionärer und nationalistischer Einzelkämpfer, der - immer das große Ziel vor Augen unbeirrt seinen Weg geht.“

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