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Auslacherfolg: Schwanzträger untergekriegt

■ Neue Produktion des Schnürschuh-Theaters: „Die Angst des Mannes, unten zu liegen“

Es tritt auf: der Schwanz-vor sich-her-Träger. Lang und breit und mit Akribie gibt er uns bekannt, was ihn in seinem Innersten zusammenhält. Großer Heiterkeitserfolg. Es darf gelacht werden. Es lacht zumindest der größere Teil des Publikums, der weibliche. Immer wieder, gerade bei den rüdesten Sprüchen und abgefucktesten Gesten: helles Gelächter. Das finden die Männer gar nicht lustig, nicht die im Publikum, nicht die auf der Bühne. Sie fühlen sich ausgelacht.

„Die Angst des Mannes, unten zu

liegen“, so lautet der Name des neuen Stücks, welches seit Dienstag im Schnürschuh-Theater zu sehen ist. Die Angst des Mannes, unten zu liegen, das ist auch die Angst, lächerlich zu sein.

Das ist das eine; das Stück selber ist das andere: Wir sehen zwei Männerfiguren, zwei „Typen“. Der Jugendliche Mike (Kurt Wobbe), durch und durch Macho mit den ensprechenden Gesten und Sprüchen, aggressiv gegen die Weiber und die Schwulen: „Normal ist: die Frauen werden gebumst. Denkst du, ich habe

Lust, durchgevögelt zu werden wie eine Alte?“ Guter Jan

Mike hat ein Gegenüber: Jan (Reinhard Lippelt) ist Sozialpädagoge in einem Freizeitheim und geht ständig mit eingezogenem Schwanz durch die Szenen. Gelähmt aus Angst vor der Gewalt, die in ihm, dem Mann stecken könnte. Er ist der personifizierte gute Wille: immer Verständnis, immer über alles reden, nichts an sich herankommen lassen. Natürlich hat er Schwierigkeiten mit Weib und Kind.

Und dann sehen wir noch einen Dritten, Horst (Kurt Wobbe), Jans Freund, Unilehrer, männerbewegt; im Stück ist er nichts als eine dramaturgische Krücke, hineingestellt, um es soziologisch vollends auszubalancieren.

Mike und Jan aber, völlig konträr angelegt, sind vom ersten Moment an in ihrer Haltung erstarrt. Mike überzieht den Macho, Jan sülzt. Da ist keine Entwicklung zu sehen, kaum Widersprüche, kaum Risse im eigenen Männerbild, und wenn sie auftauchen, werden sie sofort überspielt. Verspielte Chancen. Unterm Tisch

Die Angst Mikes, die Hilflosigkeit Jans: unter den Tisch gefallen. Nun wäre das ja nicht schlecht, wäre das Fragment, das Angerissene ein Stilprinzip der Inszenierung. Aber das ist es gerade nicht. Alles wird ausgespielt, kein Platz für Mehrdeuti

ges, für Bilder, die nicht auf den ersten Blick zu begreifen sind, für Träume, für scheinbar Vergessenes, für disparate Gefühle.

„Die Angst des Mannes, unten zu liegen“ fällt weit hinter die theatralischen Möglichkeiten zurück, die das Schnürschuh -Theater mit

seinem letzten Stück „Sprung in der Schüssel - oder: Wie verrückt ist Maria...“ entdeckt hatte. Wie irritierend waren da manche Bilder, manche Texte, schwebend zwischen Traum und Wirklichkeit, in sich zerrissen, Bilder, die hängenblieben.

Ein paar solcher Irritationen, solcher Risse in diesem Stück, und manchen Frauen wäre es vielleicht nicht so leicht gefallen, sich mit schallendem Gelächter darin zu bestätigen, daß frau ja schon immer gewußt habe, wie blöd die Männer sind. Und manche Männer, die Schauspieler inklusive, müßten nicht verletzt sein, daß über ihre realen Probleme mit Aggression, Gewalt und Selbstbild, die sie in diesem Stück wiedererkannt haben, gelacht wird. Christine Spies

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