: Alle neune ins Millionengrab?
■ Schultheiss-Gelände in Kreuzberg: AL will Riesenbauprojekt in der Hasenheide stoppen / Öffentliche Hand mit 140 Millionen am Bau des Komplexes beteiligt
Kreuzberg. Zu eng und zu teuer: Der geplante Neubau auf dem ehemaligen Schultheiss-Gelände an der Kreuzberger Hasenheide stößt auf Widerstand der AL und ihrer Baustadträtin Franziska Eichstädt. Zweihundert Wohnungen, einiges an Gewerberäumen und eine Kita sollen dort entstehen, die Kegelhalle soll abgerissen und neu gebaut, der Festsaal renoviert werden. Alles zusammen kostet die öffentliche Hand knapp 140 Millionen Mark, viel zu viel, wie die AL meint. Auch städtebaulich sei die Planung nicht vertretbar, da sie zu dicht sei. Die AL fordert daher, die Kegelsporthalle zu erhalten und zu renovieren, das sei wesentlich billiger. Auf den Rest des Baus solle man verzichten und ihn neu planen. Diesmal aber nur mit sechzig bis achtzig Wohnungen.
In die Bredouille geriet das Land Berlin, nachdem die Eigentümerin des Geländes, die Schultheiss-Brauerei, dort bauen wollte. Der damalige CDU-Senat war begeistert, aber die Berliner Kegelsportvereine protestierten: Das hätte den Abriß ihrer Halle bedeutet, die sie preiswert und bis zum Jahr 2000 gemietet hatten. Bezirkspolitiker aller Parteien versprachen den Sportlern das Bleiberecht. Der - neue Senat schrieb einen Wettbewerb aus, der zweihundert Wohnungen und den Wiederaufbau der Halle vorsah. Im Juni veräußerte Schultheiss das Gelände an die private Firma KapHag, die nun baut, das Land Berlin sah zu. Im Herbst 1989 entschied sich dann eine Jury aus Architekten, Bezirks- und Senatsvertretern für den kritisierten Vorschlag.
Seit einer Woche sind die Kosten bekannt, und auch die Sportler sind damit unzufrieden. Denn statt gut drei Mark Miete pro Quadratmeter werden sie künftig fünfzehn Mark zahlen müssen. Und das, obwohl der Neubau der Halle einen Landeszuschuß von fünfzehn Millionen Mark erfordert. „Unter diesen Umständen beharren wir auf unserem Mietvertrag“, meinte Vereinsgeschäftsführer Prenzel.
Auch der Rest der Bauprojekte verschlingt Unsummen. So kostet die Kita 5,47 Millionen, das entspricht 84.000 Mark pro Platz. „50.000 sind üblich, das ist viel zu teuer“, meinte Jugendstadtrat Borchardt (SPD). Die Erneuerung des Festsaales kostet 4,4 Millionen, die Kostenmiete der Wohnungen beträgt fast dreißig Mark pro Quadratmeter. Legt man den Zuschuß für die Kegelsporthalle auf die Wohnungen um, so ist die Kostenmiete noch mal um die Hälfte höher.
Außerdem ist die AL mit der Qualität des Ergebnisses bei weitem nicht zufrieden. „Die Wohnungen sind dunkle Schläuche, die Wohntürme stehen zu eng und verschatten den Hof“, sagte AL-Vertreterin Ahme. Fast alle Bäume im Hof werden gefällt. „Der Block ist jetzt schon der mit den meisten Bewohnern in Kreuzberg“, meinte Baustadträtin Eichstädt.
Der Sprecher des Bausenators, Schlichting, meinte hingegen, der Senat halte die Zahl der Wohnungen für machbar. „Das ist eine gute Lage, mit der U-Bahn und der Hasenheide gegenüber, da kann man ökologischen Stadtumbau verwirklichen“, sagte er. Die Kosten für das Projekt stehen nach Meinung des Bausenators noch nicht fest, die Zahlen des Bezirks seien erste Schätzungen.
Eva Schweitzer
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