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Schreyer knallhart gegen Mompers Atom-Farce

■ Nach dem Senatsbeschluß findet sich Umweltsenatorin Schreyer (AL) nun zwischen allen Stühlen wieder / Nach „informellem“ Anhörungsverfahren der DDR-Anwohner könnte sich eine Entscheidung weiter verzögern / Bundesminister Riesenhuber droht mit Rückzug

Berlin/Potsdam. Umweltsenatorin Michaele Schreyer ist fest entschlossen, sich die Zuständigkeit im Genehmigungsverfahren für den Forschungsreaktor des Hahn -Meitner-Instituts (HMI) in Wannsee von niemandem aus der Hand nehmen zu lassen. Mit dem nach einer Marathonsitzung (die taz berichtete) gegen das Votum der Genehmigungssenatorin gefaßten Beschluß hat die SPD einmal mehr die Lunte für eine vorzeitige Explosion des rot-grünen Regierungsbündnisses gelegt.

Nach der „informellen“ Anhörung der DDR-Nachbarn des Forschungsmeilers BER II, die vom 18.Mai bis zum 18. Juli über die Bühne gehen soll, läßt der Senatsbeschluß der Umweltsenatorin nur wenige Tage bis zur Entscheidung über die Wiederinbetriebnahme des umgebauten Reaktors. Schreyer hält dies für undurchführbar. Bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz erinnerte die Senatorin gestern daran, daß die Auswertung der Einwendungen zur ersten Teilgenehmigung seinerzeit zehn Monate, für die zweite Teilgenehmigung immerhin noch fünf Wochen in Anspruch genommen habe. Der im Senatsbeschluß vorgesehene Zeitplan mache das Genehmigungsverfahren insbesondere dann zur „Farce“, wenn die DDR-Bürger nun ganz neue Einwendungen vorbrächten.

Genau das ist zu erwarten. Denn öffentlich ausgelegt wird unter anderem auch das vom HMI erst kürzlich vorgelegte Entsorgungskonzept, das die Senatorin aufgrund eines Gutachtens des Heidelberger Instituts für Energie- und Umweltforschung (IFEU) selbst für „nicht ausreichend“ hält. Danach wurden die abgebrannten Brennelemente aus dem BER II in der Vergangenheit in den USA zur Tritiumproduktion und damit zur Herstellung von Atomwaffen weiterverwendet. AKW -GegnerInnen aus der DDR werden es sich voraussichtlich nicht nehmen lassen, Schreyers Gutachten für ihre Einwendungen zu nutzen.

Schreyer steht weiter zu dem Gutachten, das auf Antrag Mompers bei der Senatssitzung in Grund und Boden gestimmt und als „unzureichend“ gegeißelt worden war. Damit habe sich, so Schreyer, die SPD-Senatsmehrheit in eine „schlechte Tradition“ begeben, die dazu neige, Expertisen von Ökoinstituten zumeist ohne vorherige Prüfung als „unseriös“ zu bezeichnen, sagte Schreyer. In diesem Zusammenhang sei aufschlußreich, daß selbst Bundesforschungsminister Riesenhuber in einem Schreiben an die Berliner Forschungssenatorin und Schreyer-Kontrahentin Barbara Riedmüller (SPD) der militärischen Weiterverwendung des BER II-Atommülls nicht widersprochen habe. Riesenhuber hatte in dem Brief vom 3. Mai erklärt, „Kernwaffenstaaten“ seien „frei, Kernmaterial eigenverantwortlich zu verwenden“. Als Antwort auf den Senatsbeschluß zur Beteiligung der DDR -AnwohnerInnen des HMI sandte Riesenhuber gestern wütende Drohungen Richtung Berlin. Er werde mit dem Senat vorsorglich über die alleinige Trägerschaft Berlins für das bisher zu 90 Prozent bundesfinanzierte Institut verhandeln, weil das Verfahren für die Bundesregierung „nicht mehr kalkulierbar“ sei.

Umweltsenatorin Schreyer stimmte aus anderen Gründen gegen die Mehrheit im Senat. Sie glaubt, daß der Kompromiß für das HMI ein „rechtliches und zeitliches Risiko birgt“. Wenn nämlich im Juli aufgrund der eingegangenen Einwendungen „nach Recht und Gesetz“ doch noch ein formales Genehmigungsverfahren als zwingend notwendig erachtet werde, bedeute dies eine weitere Verzögerung der endgültigen Entscheidung.

Und wenn ihr die SPD-Senatsmehrheit dann die Atomzuständigkeit per Mehrheitsbeschluß entziehe? Dann sei dies die Aufkündigung eines „Essentials der Koalitionsvereinbarung“.

Gerd Rosenkranz

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