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Ich bin mit Jeanne

■ Ein Gespräch mit Eric Rohmer, über seinen neuen Film „Frühlingserzählung“, über Wohnungsnot, Architektur und Mode

taz: „Frühlingserzählung“ beginnt damit, daß Jeanne zwei Schlüssel zu zwei Wohnungen hat, aber trotzdem nicht weiß, wohin. Wo, wie und mit wem man wohnt, ist oft Thema in Ihren Filmen, zum Beispiel in „Le Beau Mariage“ oder in „Vollmondnächte“. Häufig geht es darum, ob man auf dem Land wohnen soll oder in der Stadt, allein oder zu zweit, in der Innenstadt oder am Stadtrand. Warum beschäftigt Sie das?

Eric Rohmer: Für Pariser ist es üblich, zusätzlich eine Wohnung auf dem Land zu haben (Welche Pariser meint Herr R.? d.Korr.). Das ist hier in Frankreich nichts Besonderes, in Deutschland gibt es das seltener. Viele Leute hier haben ein Haus und wissen nichts Rechtes damit anzufangen. So ist es in Frühlingserzählung: Der Vater fährt nicht oft auf das Landhaus, aber die Tochter hat Lust dazu. Die Frage ist immer: Fahren wir hin oder nicht?

Außerdem herrscht Wohnungsnot in Paris. Die Personen in Frühlingserzählung haben mehrere Wohnungen, nicht trotz, sondern wegen dieser Wohnungsnot. Wenn es keine Wohnungsnot gäbe, würden Mathieu und Jeanne zusammen in einer Wohnung wohnen. Natacha würde nicht mehr bei ihrem Vater wohnen, und der Vater würde mit seiner Freundin Eve zusammenwohnen. Es gibt Leute in Paris, die riesige Wohnungen haben, aber nichts dafür bezahlen und Leute, die winzige Wohnungen haben und teuer dafür bezahlen müssen. Die Wohnung ist nicht immer ein Luxus. Das ist das Paradox von Paris.

Geht es nicht auch um etwas anderes als Wohnungsnot? Sucht Jeanne nicht - wie auch Pascal Ogier als Louise in „Vollmondnächte“ - einen Ort, an dem sie sich wohl fühlt? Geht es nicht sehr grundsätzlich um den Zusammenhang von wer man ist und wie man wohnt?

Der Ort, die Wohnung also, ist in Vollmondnächte wichtiger als in Frühlingserzählung. In Vollmondnächte geht es um die definitive Entscheidung für eine bestimmte Lebensweise. In Frühlingserzählung sind diese grundsätzlichen Entscheidungen im wesentlichen schon getroffen. Das Wohnen ist hier nicht mit der Lebensweise identisch, es ist viel provisorischer. Frühlingserzählung ist ein Intermezzo, es werden zwar Dinge in Frage gestellt, aber auf ein vorläufige Weise. Das Hauptproblem ist hier die Beziehung zwischen den beiden Frauen, Jeanne und Natacha. Der Rest ist Rahmen, Teil des Dekors. Anders in Vollmondnächte: Da gibt es ein Dekor, das mit der Weltanschauung, der Ästhetik des Architekten, Louises Freund, korrespondiert - das ist die Wohnung in Marne-La-Vallee - und eines, das der Ästhetik von Louise, von Pascal Ogier entspricht - das ist die Wohnung in der Stadt. Es gibt also einen sehr starken Gegensatz zwischen diesen beiden ästhetischen Stilen, zwischen zwei Dekors, zwei Architekturen. In dem sie sich für den Mann entscheidet, entscheidet sie sich zugleich für eine Wohnung, für ein Dekor.

In Frühlingserzählung geht es nie um eine grundsätzliche Entscheidung; wenn Natacha auf das Landhaus fährt, dann nur, weil es ihr die Möglichkeit der Rückkehr zur Kindheit bietet, und nicht, weil sie sich gegen die Stadt entscheidet.

In Natachas Wohnung ist der Eßplatz durch vier Holzpfähle markiert. Natacha und Jeanne unterhalten sich über diese seltsame Innenausstattung. Gab es diesen Eßplatz so, oder haben Sie ihn erfunden?

Es gab ihn so. Die Pfähle waren ein Problem für die Kamera. Sie behinderten unsere Arbeit. Also wollte ich sie beseitigen. Aber der Besitzer sagte, das geht nicht. Sie sind tatsächlich mit Haken im Beton verankert.

Der Eßplatz ist ein Beispiel einer extremen Ordnung. Jeanne ist Philosophielehrerin. Sie spricht viel über Logik. In der entscheidenden Szene zwischen Jeanne und Igor, als Jeanne ihm seine drei Wünsche erfüllt und sich wieder weggesetzt hat, sagt sie, jedenfalls im französischen Original: „J'ai dit oui par l'amour du mot.“ In der deutschen Synchronisation spricht sie nur von der Liebe zur Logik. Was ist das: „L'amour du mot“?

Nein, das sagt sie nicht, Sie haben das wahrscheinlich in den 'Cahiers du Cinema‘, dort hat ein Kritiker das falsch geschrieben, es heißt nicht „l'amour du mot“, sie sagt tatsächlich: „Ich habe es aus Liebe zur Logik getan, aus Ehrlichkeit gegenüber der Logik der Zahl 3.“

Ist das auch die Logik des Films? Ist Jeannes Bekenntnis zur Logik auch das des Regisseurs?

Weiß ich nicht, das ist nicht mein Problem, das ist das Problem der Journalisten und Kritiker.

Jedenfalls scheint mir „Frühlingserzählung“ sehr viel präziser konstruiert, gleichzeitig wird freier erzählt als in „Der Freund meiner Freundin“, Ihrem letzten Film.

Der Freund meiner Freundin ist mehr wie ein Theaterstück konstruiert, es hat komische Einschläge. Das sagt ja schon der Titel des Filmzyklus Komödien und Sprichwörter. Dieser Film paßt sogar am besten zu dem Titel des Zyklus, es ist eine Komödie. Die Situation in Der Freund meiner Freundin ist im Grunde eine Theatersituation. Das Mädchen, Blanche, glaubt, daß es einen anderen Menschen liebt, als es tatsächlich liebt. Eine Verwirrung. Dieses Quidproquo, zwei Personen, die ihre Geliebten tauschen, gibt es häufig auf der Bühne, bei Shakespeare zum Beispiel, im Sommernachtstraum.

Die Konstruktion in Frühlingserzählung ist weniger klassisch. Die Exposition ist sehr, sehr lange, der Anfang hört im Grunde gar nicht auf. Bis zum Schluß erfährt man Dinge, die eigentlich in die Exposition gehören. Bis zur zweiten Fahrt aufs Land ist alles Exposition. Dann gibt es zwar Handlung, aber es ist eine Handlung, die zu nichts führt. Ich glaube, da Frühlingserzählung weniger klassisch konstruiert ist, hat der Rilm auch weniger Erfolg beim Publikum als Der Freund meiner Freundin. Dafür gefällt er der Kritik besser. Das Publikum mag mehr das Berechenbare, das Vorhersehbare. Es gibt immer Werke, die die nur Masse mag und Werke, die nur die Kritiker mögen.

Welche Filme mögen Sie?

Ich mag Der Freund meiner Freundin, ich finde nicht, daß es ein Film nur für die Masse ist. Wenn die Cineasten ein bißchen sorgfältiger hingesehen hätten, hätten sie Dinge gesehen, die sie so nicht gesehen haben. Im Grunde mag ich alle meine Filme, ich ziehe nicht einen dem anderen vor.

Ich wußte übrigens, daß Frühlingserzählung wenig Erfolg beim Publikum haben würde, darum startete er in Paris in wenigen Kinos. Es ist nicht gut, einen Film in zu vielen Kinos zu starten. Besser volle Säle als leere. Ich mag es nicht, wenn die Leute nur zufällig hineingehen, sie sind dann vielleicht enttäuscht und in den nächsten Rohmer-Film gehen sie nicht mehr. Besser ist es, einen Film in weniger Kinos zu starten. Die Leute, die kommen, wollen ihn auch wirklich sehen, und das nächste mal kommen sie wieder. Ich möchte gerne, daß alle, die aus dem Kino kommen, zufrieden sind und meinen Film mögen. Ich habe lieber wenige, aber treue Zuschauer. Deshalb mache ich auch so gerne Filmzyklen, man kann die Zuschauer damit ein bißchen zur Treue verführen. Filmzyklen sind eine Art Ermutigung zur Treue.

„Frühlingserzählung“ spielt fast vollständig in Innenräumen. Ihr letzter Film, „Der Freund meiner Freundin“, spielt fast vollständig draußen, in Cergy-Pontoise, der Ville Nouvelle von Bofil. Was hat Sie an dieser Architektur interessiert?

Es stimmt, Frühlingserzählung spielt im Innern der Wohnungen, selbst die Szenen im Garten des Landhauses spielen nicht eigentlich draußen: der Garten ist von einer Mauer umgeben. Die Beziehungen zwischen den Personen sind in diesem Film intimer, man vertraut sich einander an. Bestimmte Dinge sagt man sich eben nicht im Freien. Deshalb geschieht alles drin.

Bei den Villes nouvelles, in denen ich für Der Freund meiner Freundin und für Vollmondnächte gedreht habe, ist die Außenansicht interessanter als das Interieur. Normalerweise werden sie, in Filmen, in der Literatur etc., als etwas Negatives präsentiert, apokalyptisch, öde, unmenschlich. Ich wollte ganz im Gegenteil ihre menschliche Seite zeigen: die Ville Nouvelle als etwas Einladendes. Das war viel schwieriger. Es ist immer schwieriger, im Kino für etwas zu sein als gegen etwas. Die moderne Architektur von ihrer feindlichen Seite zu zeigen, ist leicht. Ich hingegen packte den Stier bei den Hörnern und zeigte Cergy von seiner angenehmen Seite.

Welche der neuen Gebäude in Paris mögen Sie denn?

Mit den meisten bin ich nicht einverstanden. Zum Beispiel die Louvre-Pyramide: es mag zwar ästhetische Gründe geben, mit denen man sie rechtfertigen kann, aber sie steht nicht am richtigen Platz. Auch die Opera de la Bastille hat nicht ihren richtigen Ort. Paris hat seine Baugeschichte, und man kann sie nicht ohne weiteres ad infinitum verlängern. Die Gebäude unseres Jahrhunderts passen schlecht zu den Gebäuden der vergangenen Jahrhunderte. Ich mag auch keine Glasarchitektur. Gut, das Centre Pompidou ist keine Katastrophe, aber auch von ihm glaube ich nicht, daß es am richtigen Platz steht. Der Arch de la Defense wiederum zerstört die schöne Perspektive des Triumphbogens am Place de l'Etoile. Ungefähr ab dem 20. Mai sah man von der Innenstadt aus, wie die Sonne hinter dem Triumphbogen untergeht. Jetzt steht dort der Arch de la Defense, und man kann den Sonnenuntergang nicht mehr sehen. Den Arch de la Defense selbst finde ich sehr elegant, es ist also wieder keine Frage der Architektur, sondern eine des richtigen Standorts.

Das Palais Chaillot dagegen gefällt mir sehr gut, weil es in die Umgebung integriert ist (das Palais Chaillot liegt gegenüber dem Eiffelturm, unter anderem ist dort das Musee de l'Homme untergebracht, das Musee du Cinema und Teile der Cinematheque. chp). In den 60er Jahren war es sehr verrufen, es galt als akademisch, inzwischen wird es respektiert, auch wenn es keinen berühmten Architekten hat.

Die Gebäude der berühmten Architekten sind in den Städten ohnehin nicht unbedingt die besten. Es sind die großen Ensembles und Straßenzüge, gebaut von anonymen Architekten, die den Charme einer Stadt ausmachen. Die Politik der Star -Architekten halte ich für falsch, sie ignoriert die Seele einer Stadt. Ich bin nicht altmodisch, ich glaube nur, daß die Zeit der internationalen Star-Architektur, der Hochhäuser, bald passe ist, es sind Phänomene einer Übergangsphase.

Haben Sie einen Lieblingsarchitekten?

Ich bin gegen den Namenskult. Gut, ich mag Bofil. Ein Architekt ist nichts wert, wenn er an einer Stelle baut, die nicht für sein Gebäude gemacht ist.

Wie wohnen Sie selbst?

Ich wohne meistens in diesem Büro. Sie sehen ja, es ist ein Gebäude des 19. Jahrhunderts. Das Haus, in dem ich wohne, wurde im 18. Jahrhundert gebaut. Ich hatte nie eine moderne Wohnung. Am liebsten würde ich wohnen wie Natacha in meinem Film.

Zurück zur „Frühlingserzählung“. Jeanne ist Philosphielehrerin, die Schauspielerin Anne Teyssedre studiert tatsächlich Philosophie. Und Natacha, also die Schauspielerin Florence Darel, spielt tatsächlich Klavier. Was war zuerst da: die Geschichte oder die Schauspielerinnen?

Am Anfang wußte ich nicht, welchen Beruf die Personen haben sollten. Ich entschied mich erst für die Berufe, nachdem ich die Schauspielerinnen getroffen hatte. Anne Teyssedre kenne ich schon lange, sie hat mit 13 Jahren in einem Film einer meiner Assistentinnen mitgespielt (Veronique ou l'et e de mes treize ans von Claudine Guillemain. chp). Ich habe ihre Karriere verfolgt, ich wußte, daß sie auch Philosophie studiert. Bei Natacha wußte ich, daß Florence Darel Klavier spielt, also ist sie im Film Klavierstudentin.

Ich mag die Szene, in der Natacha Klavier spielt. Sie hat mich sehr berührt. Vielleicht deshalb, weil sie tatsächlich spielt und die Kamera nicht von den Händen weg zum Gesicht hoch schwenkt.

Ja, normalerweise wird in solchen Momenten getrickst. Der Schauspieler tut nur so, als ob er spielt. Spielen Sie Klavier?

Ein bißchen.

Dann wissen Sie vielleicht, daß dieses Stück, Schumanns „Gesänge der Frühe“ nicht gerade leicht ist. Sie mußte es also lernen, und sie sagte mir: „Ich habe gerade erst angefangen, es zu üben.“ In Wahrheit hatte sie seit sechs Monaten daran gearbeitet.

Was haben die Schauspielerinnen diesmal noch selbst entschieden? Haben sie Ihre Kleider selbst ausgewählt, oder haben Sie das getan?

Die Kleider sind mir sehr wichtig, ich habe zwei Monate gebraucht, um die Kleider auszusuchen. Die meisten sind gekauft, nicht extra für den Film geschneidert. Auch aus der eigenen Garderobe der Schauspielerinnen habe ich Kleider ausgesucht. Ich mag es, wenn die Kleider bereits getragen und nicht neu oder eigens gemacht sind, die Schauspielerinnen sehen sonst so kostümiert aus. Wenn wir etwas gekauft haben, dann wegen der Farben. Mit den Farben nehme ich es immer sehr genau. Diesmal wollte ich Frühlingsfarben, viel Grün, wenig Schwarz. Sonst tragen die beiden viel Schwarz, weil es Mode ist, Schwarz ist immer ein wenig Mode. Aber ich wollte nur ganz wenig Schwarz. Ich wollte viele Blumenmuster, glücklicherweise traf sich mein Wunsch mit der Mode. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die in ihren Filmen aus der Mode ausbrechen oder eine neue Mode zu schaffen versuchen. Ich kleide meine Personen mit dem, was gerade Mode ist, was in den Boutiquen und Kaufhäusern verkauft wird. Die derzeitige Mode kennt keine kräftigen Farben, also gibt es in Frühlingserzählung Pastelltöne, verwischte Farben. In meinem letzten Film, Der Freund meiner Freundin gab es ganz im Gegenteil sehr lebendige, grelle Farben und starke Kontraste.

Die Männer in Ihren Filmen wirken immer ein wenig wie Igor in „Frühlingserzählung“: ungeschickt, manchmal fast komisch. Finden Sie die Männer ungeschickt?

Sie meinen, die Frauen sind geschickter als die Männer? Ja, ja das ist möglich (lacht). Ich weiß nicht, warum. Geschickte Schauspieler und professionelle Gesten, diese bemessenen, ausgewogenen Gesten mag ich jedenfalls nicht. Die unkontrollierten, unwillkürlichen Gesten sind mir lieber. Auch bei den Frauen, aber die Frauen kontrollieren sich im allgemeinen mehr als die Männer, ihre Gesten sind anmutiger.

Igor ist ja eine ungewöhnliche Rohmer-Figur, nämlich ein Vater. Sie zeigen so gut wie nie die Eltern ihrer Filmfiguren. Warum nicht?

Vor '68 oder sogar vor dem Krieg waren die Beziehungen zu den Eltern essentiell. Es gab einen ausgeprägten Generationskonflikt. Heute sind die Kind-Eltern-Beziehungen weniger dramatisch. Sie liefern heute weniger Stoffe für Komödien als etwa in der Zeit von Moliere. Auch bei Marcel Pagnol basieren die meisten Komödien auf diesem Konflikt. Die Beziehungen zwischen Vater und Tochter in Frühlingserzählung und die zwischen Mutter und Tochter in Le Beau Mariage - die einzigen Eltern in meinen Filmen - sind ganz anders als in den klassischen Komödien. Es ist sehr schwierig, heute noch originelle Eltern-Kind -Beziehungen zu finden. Außerdem spielen die Eltern bei den Liebesbeziehungen ihrer Kinder keine Rolle mehr. Deshalb ist es ganz normal, daß bei einer Liebesgeschichte die Eltern nicht auftauchen.

Was ebenfalls selten ist in Ihren Filmen, sind Menschen, die arbeiten. Auch in „Frühlingserzählung“ sieht man Jeanne und Natacha nicht beim Arbeiten. Ihre Figuren haben immer gerade Wochenende oder Urlaub.

Das ist kein Zufall, sondern mein Entschluß. Ich könnte sie auch beim Arbeiten zeigen, aber ich will es nicht. Als ich noch Filmkritiker war, schrieb ich, das Besondere des Kinos sei, daß es die Menschen beim Arbeiten zeigt. Man denke nur an die Krimis. In Liebesfilmen dagegen wird wenig gearbeitet. Lieben und arbeiten, das geschieht selten gleichzeitig.

Arbeit habe ich nur in solchen Filmen gezeigt, in denen die Protagonisten Künstler waren. Zum Beispiel sieht man in Vollmondnächte, wie Louise arbeitet, weil sie einer künstlerischen Arbeit nachgeht (Louise ist Innenausstatterin, Pascal Ogier hat Vollmondnächte tatsächlich selbst ausgestattet). Eine Büroarbeit zu zeigen, interessiert mich nicht. Aber die Arbeit der Philosophielehrerin Jeanne hätte ich schon zeigen können: die Lehrerin in ihrer Klasse. Ich fand es jedoch besser, sie in einem Gespräch über ihre Arbeit zu zeigen.

Wissen Sie, mein Standpunkt ist nicht der Standpunkt Gottes. Ich bin nicht das allgegenwärtige Auge Gottes, das alles sehen kann. Ich entscheide mich in meinen Filmen immer für einen Standpunkt. Das heißt, es gibt eine Zeit und einen Raum des Films, die sehr präzise abgesteckt sind und die mich in eine Konvention stellen. Ich glaube, daß Kunst auf Konventionen beruht. Im Theater gibt es ja auch die drei Einheiten von Zeit, Ort und Handlung, im Kino ist es ähnlich, nur ist der Spielraum ein bißchen größer.

In diesem Film nehme ich zwar nicht genau den Standpunkt von Jeanne ein, aber ich bin mit Jeanne. Ich bin mit Jeanne, wenn sie mit anderen zusammen ist, ich bin mit Jeanne, als sie ihre Cousine trifft, als sie mit Natacha und deren Vater zusammen ist. Ich bin nicht mit Jeanne, wenn sie mit ihrem Freund Mathieu zusammen ist.

Das Gespräch führte Christiane Peitz, es dolmetschte Alexander Smoltczyk.

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