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Prima Radargeschäft für abstürzenden Jäger 90

■ Für 830 Millionen D-Mark sollen Ferranti und Daimler den Jäger ortungsfähig machen / Langjähriger britisch-deutscher Interessenkonflikt wegfinanziert

Berlin (taz) - Für ein Kampfflugzeug, das hoffentlich nie gebaut wird, hat ein Rüstungskonsortium aus vier Ländern noch schnell einen Entwicklungsauftrag über schnucklige 300 Millionen Pfund bzw. 830 Millionen D-Mark eingefahren. Für diesen Betrag soll der Jäger-90 ein Radarsystrem bekommen, dessen Entwurf vom brischen Rüstungskonzern Ferranti stammt. Kleinere Aufgaben gehen auch an die Daimler-Tochter Telefunken-Systemtechnik, an eine italienische und eine spanische Firma. Zwar paßt der Auftrag überhaupt nicht mehr in die abrüstungspolitische Landschaft, aber er mußte sein. Denn hinter der Vergabe steht einerseits ein kompliziertes Stück britischer Industriepolitik, andererseits konnte mit den Millionen der SteuerzahlerInnen endgültig die Lösung eines britisch-Bundesdeutschen Interessenkonfliktes finanziert werden.

Ursprünglich hatten sich zwei unterschiedliche Konsortien um den Auftrag bemüht. Das eine stand unter der Führung von Ferranti, das andere wurde von der Daimler-Tochter angeleitet. Zwei Jahre lang hatten die beiden Konzerne bei ihren jeweiligen Militärs und Regierungen antichambriert, um alle geplanten 800 Kampfflugzeuge mit dem hauseigenen Produkt auszurüsten. Paketpreis für alles zusammen: 4,5 Milliarden D-Mark.

Dann schien Ferranti lange Zeit aus dem Rennen zu sein. Betrügerische Buchhaltungstricks einer US-Tochter bescherten dem Konzern rund 550 Millionen Mark Verluste, gut die Hälfte des Gesamtfirmenwertes. Die AEG-Verkäufer jubilierte, da Ferranti wegen seiner ungewissen Zukunft keine Garantien mehr für ein pünktliche Auftragsabwicklung abgeben könne. Vor allem der französische Rüstungsmulti Thomson, allzeit kaufbereit, begab sich in die Startlöcher.

Doch weit gefehlt. AEG und Thomson freuten sich zu früh die britische Regierung stellte sich gegen alle ausländischen Unternehmen quer.

Schließlich kam es zu einem komplizierten Mehrfachgeschäft. Zunächst einigten sich der britische Verteidigungsminister Tom King und sein Amtskollege Stoltenberg in einem Kompromiß darauf, daß Ferranti den Haupt- und AEG beziehungsweise Telefunken den Nebenauftrag bekommen sollte, nämlich die Anpassung des Radas an die bundesdeutschen Jäger-90 -Versionen. Kaum war das bekannt, verkaufte Ferranti seine Radarsparte für 870 Millionen D-Mark an den britischen Rüstungskonzern General Electric (GEC), um damit seine Schulden zu bezahlen. Die britische Regierung wiederum soll sich verpflichtet haben, die Mehrkosten, die durch die Verzögerung entstanden waren, zu übernehmen. GEC darf sich über ein prächtiges Geschäft freuen und wurde obendrein noch einer der weltstärksten Produzenten von Radar-Anlagen. Der Anteil von Daimler wurde nicht bekanntgegeben.

diba

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