: Lebensversicherte betrogen
■ Hans-Joachim Jabin, „Leiter des Büros des Generaldirektors der staatlichen Versicherung der DDR“, zum geplanten Umtausch von 2:1 der Lebensversicherungen
taz: Es scheint so, als hätten die beiden Regierungen in Bonn und Berlin sich darauf geeinigt, die Lebensversicherungen nach dem Kurs 2:1 umzutauschen. Haben Sie nähere Informationen?
Hans-Joachim Jabin: Am 3. Mai ist uns erstmalig offiziell mitgeteilt worden, daß die Lebensversicherungen nicht, wie in der Regierungserklärung versprochen, 1:1, sondern 2:1 umbewertet werden. Noch bevor wir die Sparer davon informieren konnten, hat der Wirtschaftsminister diese Auskunft abends im Fernsehen gegeben. Das hat eine wahnsinnige Verunsicherung bei unseren Kunden ausgelöst, die jetzt scharenweise ihre Verträge zurückkaufen wollen.
Wer ist denn von dieser Abwertung besonders betroffen?
Wir haben elf Millionen versicherte Personen mit einer durchschnittlichen Versicherungssumme von 3.600 Mark. Nach dem jetzigen Stand müßten wir die bis zum Stichtag angesparte Summe berechnen und halbieren. Was dann später in DM eingezahlt wird, würde wieder voll zu Buche schlagen. Das bedeutet, extrem betroffen sind diejenigen, deren Lebensversicherung kurz vor dem Ablauftermin steht. Sehr bitter wäre die Regelung auch für die 76.000 sogenannten Altlebensversicherungen, die schon einmal, bei der Währungsreform 1948, abgewertet wurden.
Rückkauf einer Versicherung bedeutet in der Bundesrepublik, daß der Versicherte in der Regel nicht mal die eingezahlten Beträge zurückerhält...
Das ist bei uns nicht anders. Wir raten jetzt, nur die Summe zurückzukaufen, die unsere Kunden noch benötigen zur Deckung der maximalen Umtauschsumme von 2.000, 4.000 oder 6.000 Mark Sparguthaben nach dem 1:1-Kurs. Aber wie man es dreht und wendet: bliebe es bei den vorgesehenen Regelungen, wären unsere Sparer die Betrogenen. Deshalb kämpfen wir mit Nachdruck dafür, den Umtauschsatz 1:1 für die Lebensversicherung doch vielleicht noch irgendwie zu realisieren.
Wie sieht denn der Kampf aus? Wir haben einen Brief an die Regierung, den Finanzminister und die Fraktionsvorsitzenden der Parteien in der Volkskammer geschrieben. Einen gewissen Hoffnungsschimmer sehen wir darin, daß der SPD-Vorsitzende Markus Meckel jetzt erklärt hat, über diesen Punkt müsse noch mal verhandelt werden.
Nachdem de Maiziere am Dienstag abend in der SPD-Fraktion den Stand der Verhandlungen zum Staatsvertrag erläutert hat, schwiegen die Sozialdemokraten. Worauf gründen Sie Ihre Hoffnung?
Na ja, wenn wir uns nicht durchsetzen können, haben wir noch Minimalforderungen: 1. Die Lebensversicherungen müssen mit einfließen können in die 1:1-Sparsummen. 2. Alle Alt und die Kleinlebensversicherungen bis 1.000 Mark müssen auch mit 1:1 bewertet werden.
Interview: Petra Bornhöft
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