: Drogenproblem als Kurdenproblem gehandelt
■ Senat will nächste Woche „Kurdenerlaß“ beraten / Kleine Bremer Schutzklausel für Flüchtlinge ist gefährdet
„Der Kurdenerlaß ist mit Sicherheit nicht das zentrale Problem der Rauschgiftbekämpfung!“ Der Mann, der dies sagt, weiß wovon er spricht. Er ist auch keiner besonderen kurdischen Sympathien verdächtig. Sondern er heißt Michael Haase und ist Bremens oberster Drogenfahnder und wünscht sich dringend Personal-Computer und anderes modernes technisches Gerät, um der Drogen-Mafia Paroli bieten zu können.
Eine Bremerin, die „Weser-Kurier“ liest, könnte allerdings durchaus zu der Einschätzung kommen, daß der „Bremer Kurdenerlaß“ dringend abgeschafft gehört, um die Drogenkriminalität wirksam zu bekämpfen. Erst gestern hieß die Schlagzeile: „'Dealer mißbrauchen den Kurdenerlaß'“. Im Bremer Senat scheinen sich ähnnliche Ansichten ebenfalls in einigen Köpfen festzusetzen: Nächste Woche Dienstag soll der „Bremer Kurdenerlaß“ „Gegenstand von Senatsberatungen“ werden. Drogenfahnder Michael Haase dagegen schaut über die Stadtgrenzen hinaus: „In Berlin, Frankfurt, Hamburg, wird der kleine, mittlere Handel im Heroinbereich von Kurden betrieben. Das ist keine Bremensie.“
Der vielbesagte „Kurdenerlaß“ von 1988 nun beinhaltet nichts anderes, als daß die Akten kurdischer AsylbewerberInnen, nachdem ihr Asylgesuch von einem Verwaltungsgericht negativ beschieden wurde, dem Innensenator vorgelegt werden und dieser vorerst ein „Bleiberecht“ gewähren kann. Werden Asylbewerber aber wegen eines Drogendelikts vorbestraft, wird die Abschiebung verfügt.
Die neueste Debatte um den „Kurdenerlaß“ entzündete sich
am Geschehen im und vorm Haus „Am Dobben 92“ im Steintor -Viertel. Dazu Michael Haase: „Wenn der Rauschgifthandel verdeckt abläuft, interessiert es die Öffentlichket nicht. Aber wenn es öffentlich abläuft, wird es zum Problem.“ Im Haus „Am Dobben 92“ hatte die Sozialbehörde zunächst libanesische Flüchtlingsfamilien untergebracht, diese dann umquartiert und das völlig heruntergekommene Haus zu einem „Massenquartier“ für 34 alleinstehende männliche Flüchtlinge aus Türkisch-Kurdistan ge
macht. Binnen der letzten sechs Wochen hatte sich die Adresse „Am Dobben 92“ zu einem Zentrum des offenen Drogenhandels im Steintor entwickelt.
Am Dienstag hatte Ortsamtsleiter Hucky Heck, der aus seinem Dienstzimmer die durchorganisierte Dealerei beobachten kann, Vertreter von Sozial-, Innen- und Justizbehörde geladen, um Abhilfe zu beraten. In zwei Monaten will die Sozialbehörde das Haus ganz räumen. Hucky Heck: „So geht das nicht, daß mit dieser Dreistigkeit und Öffent
lichkeit kriminelle Handlungen vollzogen werden. Das geht bei der Volksseele alles in einen Topf.“ Heck plädiert dafür, daß
es gegen die Dealer zu zügigen Gerichtsverfahren kommt. „Die Vergehen müssen addiert werden, wenn die innerhalb kurzer Zeit fünf mal - auch mit geringeren Mengen erwischt werden, muß das reichen. Es geht nicht an, daß die kriminaltechnische Untersuchung ein halbes Jahr dauert und die in der Zeit wie verrückt dealen.“ Die SPD -Bürgerschaftsabgeordnete Barbara Noack denkt ähnlich: „Die Kurden nur wegen des Verdachts auf Drogenhandel abzuschieben - das ist nicht rechtsstaatlich. Ein Gerichtsverfahren muß abgewartet werden.“ Letzteres zieht jedoch Jürgen Hartwig, Mitarbeiter von Justizsenator Kröning, in Zweifel: „Man muß die Frage stellen, ob man den Kurdenerlaß bei Drogendealern anwendet.“ Drogenfahnder Michael Haase rät zu langfristigem Denken: „Wenn diese Leute ausgewiesen würden, würden andere an ihre Stelle treten.“
Barbara Debus
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