: Deutsche Herren und Untermenschen
■ Daimler Benz-Werbespots Rassismus vorgeworfen / Konzern fühlt sich in seiner Imagekampagne mißverstanden
Ein Mann geht um die Welt. Wo immer er in einem fernen Land aus dem Flieger steigt, ist er die Selbstgefälligkeit in Person, denn ihn zeichnen drei Eigenschaften aus, durch die er sich von seinen fremdländischen Gastgebern abhebt. Blond ist er, blauäugig und anspruchsvoller Autofahrer. Mit diesen teutonischen Tugenden gewappnet stolziert er die Gangway hinunter - das arabische Land behagt ihm kaum.
Vom Stimmungstief erlösen kann ihn jetzt nur ein Gegenstand: das Auto. Doch weit und breit keine Spur von einem Wagen, der seiner würdig wäre, nur exotisch aussehende Gestalten. Noch grimmiger schaut der große Blonde drein, als in der Ferne ein Einheimischer den Arm hebt und ihm zuwinkt. Der deutsche Kraftfahrer zieht die Mundwinkel nach unten, glaubt er doch zu wissen, was ihm jetzt zusteht - jedenfalls nicht ein Plausch mit einem schmuddeligen Ausländer.
Zufriedenheit legt sich erst auf sein Gesicht, als er im Hof den Mietwagen erkennt, einen schwarzen Mercedes. „Willkommen zu Hause“ erschallt eine Stimme aus dem Off. Ein Stern auf schwarzem Grund, der Schriftzug der Nobelmarke erscheint. Das war es. Ein Werbespot aus dem Hause Mercedes mit der frohen Botschaft: Überall wo du dich in der Fremde unbehaglich fühlst, wartet ein Stück Kultur auf dich - das Auto von Welt. Die Antwort der ersten auf die Unbequemlichkeit der dritten Welt.
Vielleicht wäre weiter gar nichts passiert. Sehr wahrscheinlich hätte der Spot unbehelligt Woche für Woche über die privaten Kanäle - denn nur dort versprechen sich die Werbeleute von Mercedes Benz Resonanz - laufen können, ohne irgendeine Reaktion auszulösen. Schließlich jonglieren ja auch andere Firmen in ihrer Werbung mit handfesten Feindbildern. Aber parallel zum Start der Anzeigenserie platzte die Diskussion um die Ansiedlung der Daimler Benz AG auf dem Potsdamer Platz dazwischen, und Konzernchef Eduard Reuter verbreitete sich in der 'Zeit‘ über ein Konzept global ausgerichteter Unternehmen. Sein Plädoyer für ein neuartiges Sicherheitssystem durch ökonomisches Zusammenwachsen der Staaten abseits der militärischen Blöcke sondierte vorsichtig eine weltumspannende Expansion deutscher Großkonzerne.
Der Werbespot scheint da in die gleiche Kerbe zu schlagen: An Daimlers Wesen soll noch einmal die Welt genesen. Zwar ist die Mercedes Benz Fahrzeugbau neben AEG und Deutsche Aerospace nur eine der drei Hauptsparten des Konzerns, aber das Gesamtunternehmen wird fast automatisch mit seinen Prestigeobjekten identifiziert, und das sind nun mal die Nobelkarossen aus Sindelfingen.
Kein Wunder, daß nach der Ausstrahlung des martialisch auftretenden Mercedesfahrer nicht nur die taz Anrufe registrierte, die die „rassistische Tendenz“ des Clips beklagten und darin eine „Herrenmenschen„-Ideologie vermuteten. Auch bei Mercedes Benz gab es Anfragen, „Hinweise“ - wie es hausintern heiß.
In der zuständigen Abteilung fiel man aus den Wolken, denn mit allem hatte man gerechnet, nur nicht mit Protest. Im vergangenen Jahr sah sich Mercedes Benz nach einer geeigneten Werbeagentur um, die eine neue Anzeigenkampagne für die TV- und Printmedien gestalten sollte. Der Modellwechsel bei BMW und der Absatzknick im Exportgeschäft hatten den Nerv der sonst so selbstsicheren Firma getroffen. Mercedes mußte um seine beherrschende Marktposition bangen. Eine frische, freche Produktwerbung sollte den in die Jahre gekommenen Modellen zumindest äußerlich mehr Elan verleihen. Unter drei Angeboten machte schließlich die renommierte Hamburger Werbeagentur Springer & Jakoby das Rennen und wurde mit der Realisation von fünf Spots beauftragt, ein sechster ist in Planung - 350.000 DM ließ sich der Konzern jeden dieser Sekundenfilme kosten.
Schließlich wußten die Schwaben die Kampagne in guten Händen. Springer & Jakoby gelten als Deutschlands kreativste Werber und heimsen überall Preise ein. Und bei dem Coup mit den Stuttgartern hatten die Hamburger mehr als ihren guten Ruf zu verlieren. Nach eigenen Aussagen soll der Deal die Werbeagentur von Platz 19 auf Platz 14 in der Hitliste der deutschen Werbefirmen hieven. Denn mit 160 Millionen Mark Werbevolumen liegen Springer & Jacoby bisher nur im Mittelfeld. Verbal geben sie sich allerdings als die Nummer eins; Mercedes sei Dank, sollte jetzt auch der Etat nachziehen.
„Die Filme werden sie lieben. Die sind sehr spannend“, erklärte sich Konstantin Jacoby gegenüber 'Esquire‘, doch was dann kam, war wie ein Aufguß aus zwanzig Jahren TV -Werbung. Schlummernde Kinder auf dem Rücksitz, die sich von keinem Motorengeräusch wecken lassen, hatte VW schon Jahre zuvor für den Käfer auf Doppelseiten verewigt. Bei Mercedes lernen die Bilderbabys jetzt erst laufen. Auch der Formel-I -Fahrer, der nach dem Rennen in der Luxusschaukel gen trautes Heim steuert, stellt die nicht ganz neue Verbindung zwischen Rennsport und privater Raserei mit Tötungsabsicht her. Wirklich exotisch und überraschend war da nur der Spot mit dem Geschäftsreisenden irgendwo unter der sengenden Sonne Afrikas.
Den Schwaben reichte die etwas steife Brise aus Hamburg. Rundum zufrieden frohlockten die Stuttgarter vom Beginn einer Ära der spritzigen Linie und freuten sich wie die Schneekönige über die „Frische und den Esprit“, mit denen Springer & Jacoby Alteisen zu Gold veredelt hatten. Das höchste der Gefühle, so ein Mitarbeiter des Bereiches Kommunikation bei Mercedes, sei die Post der BMW-Fahrer gewesen, die zwar nicht sofort umsteigen wollten, aber die Kampagne über den grünen Klee gelobt hätten.
Neben den Lobarien kamen aber auch blaue Briefe. „Wenn wir da etwas gewittert hätten, hätten wir den Spot gewiß nicht gemacht“, heißt es jetzt. (Entlarvend genug! d.S.) Eine Diskriminierung sei nicht beabsichtigt gewesen und liege gar nicht im Interesse der Firma, denn „da sind wir viel zu abhängig bei all den Exportaktivitäten“. Trennen mochte sich der Konzern von dem Spot jedoch nicht, dazu war er dann doch zu aufwendig. Am Schneidetisch entsteht derzeit eine entschärfte Version: „Die Einstellung mit den herabgezogenen Mundwinkeln werden wir herausnehmen.“
Christof Boy
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