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Neue DDR-Kommunalverfassung in Arbeit

Weitgehender Konsens über Gesetzentwurf des Ministerrates / Differenzen über Bürgermeisterkompetenzen und Kommunalbetriebe  ■  Aus Berlin Matthias Geis

Die Volkskammer der DDR wird aller Voraussicht nach noch vor den konstituierenden Sitzungen der neu gewählten örtlichen Vertretungen eine neue kommunale Verfassung erhalten. Das ergab die erste Lesung des „Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise“ auf der gestrigen Volkskammersitzung. Der Entwurf des Ministerrats wurde vorgestellt und nach relativ harmonischer Aussprache einstimmig in die Ausschüsse überwiesen. Eine modifizierte Fassung soll auf der nächsten Tagung der Volkskammer verabschiedet werden. Gleichzeitig wird dann das bisher gültige Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen aus dem Jahre 1985 außer Kraft gesetzt werden. Anstelle der Verfassungsartikel 81-85 wird dann eine Regelung zur kommunalen Selbstverwaltung in die Verfassung aufgenommen. Für Mai wurde ein Ministerentwurf zur Finanzordnung der Gemeinden in Aussicht gestellt.

Der vorgelegte Entwurf orientiere sich - so Minister Preiß

-an der Möglichkeit zur breiten Beteiligung der BürgerInnen an den kommunalen Entscheidungen. Zudem strebe er eine weitgehende Gesetzesangleichung mit den kommunalen Verfassungen der Bundesrepublik an und trage damit zur Herstellung der deutschen Einheit bei. Der Entwurf entspreche zudem den Normen der Europäischen Gemeinschaft, so daß nach der Verabschiedung durch die Volkskammer einem Beitritt der DDR zur europäischen Kommunalcharta nichts mehr im Wege stehe. Der Minister wies ferner darauf hin, daß die Kommunalverfassung nur einen Rahmen abgebe, der nach Bildung der Länder in deren Verantwortung spezifiziert werden könne.

Von den Rednern der SPD und PDS wurde der enorme Zeitdruck beklagt, unter dem der Text verabschiedet werden müsse. Die PDS plädierte für eine Diskussion des Entwurfes in den neu gewählten Parlamenten, um die angestrebte Selbstverwaltung nicht schon im ersten, grundlegenden Akt an den örtlichen Vertretungen vorbei zu beschließen.

Alle Fraktionen außer CDU und DSU kritisierten die Kompetenzhäufung der BürgermeisterInnen im Entwurf. So erhält der Bürgermeister nach Paragraph 27 der Vorlage „in Fällen äußerster Dringlichkeit“ ein Entscheidungsrecht auch an den Gemeindevertretungen vorbei. Der Sprecher der Bauernpartei sah hierin eine bedenkliche Vermischung exekutiver und legislativer Kompetenzen.

Während der Entwurf von einer weitgehenden Privatisierung ausgeht, plädierten Bündnis 90 und PDS insbesondere bei Betrieben der Energieversorgung und der Wohnungswirtschaft auf Überführung in kommunales Eigentum.

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