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Wege zu einem neuen Sicherheitssystem in Europa

Memorandum derCSFR über die Europäische Sicherheitskommission (Inoffizielle Übersetzung)  ■ D O K U M E N T A T I O N

Die politische Entwicklung der Welt und besonders die von Europa ist so schnell, daß die bestehenden Institutionen ihr nicht mehr entsprechen. Nach Jahren der Konfrontation befindet sich Europa am Anfang einer neuen Etappe. Hieraus ergeben sich neue Möglichkeiten aber auch bestimmte Risiken.

Die von den Nachkriegsrealitäten ausgehende Sicherheitsstruktur des Kontinents gründete sich bis jetzt auf dem Prinzip des Kräftegleichgewichts zwischen zwei Blöcken. Seine Grundlagen sind jedoch nicht fest, denn sie liegen auf künstlichen Trennlinien. Die Trennung Europas in zwei Teile sowie die Trennung von Deutschland in zwei Staaten hat sich überlebt.

Die Quellen der Ursachen für potentielle europäische Konflikte sind vielfältiger als bisher von dem bipolaren Konfrontationssystem vorausgesetzt wurde. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die europäische Sicherheit breiter aufzufassen und neben der politischen und militärischen auch ökonomische, ökologische und humanitäre Aspekte sowie die Möglichkeit anderer Bedrohungen miteinzubeziehen. Das bisherige, konfrontative Sicherheitssystem ist aber nicht imstande, eine derartige Sicherheit zu gewährleisten, das kann nur durch eine neue gesamteuropäische Struktur des Friedens, der Stabilität und des Vertrauens geschehen. Die Notwendigkeit einer solchen modernen Struktur ist durch die tiefgreifenden politischen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa noch dringlicher geworden.

Der Warschauer Vertrag und die Nato entwickeln heute ihre Tätigkeit unter anderen Bedingungen als zur Zeit ihres Entstehens. Diese Organisationen, die Europa bis heute trennen, sollten ihre Tätigkeit vor allem auf das Gebiet der Abrüstung verlagern. Wir nehmen an, daß die weitere Entwicklung ihre politische Rolle stärken und die militärische Rolle allmählich eindämmen wird. Dabei muß dieser Prozeß nicht symmetrisch verlaufen, denn in einer Reihe inhaltlicher Aspekte ihrer Tätigkeit sind die beiden Gruppierungen nicht identisch.

Die günstigste Grundlage für die Schaffung eines einheitlichen gesamteuropäischen Sicherheitssystems sehen wir im KSZE-Prozeß. Die neue Situation in Europa erfordert, daß auch dieser Prozeß noch dynamischer den zu den Helsinki -Vereinbarungen zweiter Generation führenden Weg verfolgt. Diese Vereinbarungen sollten die Voraussetzungen für den allmählichen Aufbau eines gemeinsamen Systems der europäischen Sicherheit schaffen. Die Erreichung dieses Ziels erfordert eine Institutionalisierung der gemeinsamen Bestrebungen im Rahmen der KSZE und die Schaffung wirksamer Mechanismen neuen Typs.

Die längerfristige Perspektive des Aufbaus eines modernen Sicherheitssystems setzt die Nutzung der Erfahrungen der bestehenden Institutionen multilateraler Zusammenarbeit, wie des Europarats u.a., die schrittweise zu gesamteuropäischen Institutionen werden sollten, voraus.

Bei der Suche nach möglichen Auswegen gehen wir von den positiven Erkenntnissen aus, die im bisherigen Verlauf des KSZE-Prozesses gewonnen wurden, sowie von der Notwendigkeit, auf die Entwicklung in Deutschland und die tiefgreifenden Gesellschaftsveränderungen in Mittel- und Osteuropa zu reagieren.

Die Tschechoslowakei schlägt - in Übereinstimmung mit den Zielen und Prinzipien der Charta der UNO und der KSZE - vor, in der ersten Etappe eine aus den Teilnehmerstaaten des Helsinki-Prozesses zusammengesetzte Europäische Sicherheitskommission einzusetzen. Ihre Begründung sehen wir darin, daß sie die bisher fehlende ständige gesamteuropäische Plattform für die Prüfung von Fragen, die die Sicherheit auf dem Kontinent betreffen, schaffen würde und deren Lösung suchen würde. Diese Europäische Sicherheitskommission würde ihre Tätigkeit neben den beiden bisherigen Gruppierungen und unabhängig von ihnen entwickeln.

Einen Beitrag zur Formierung eines wirksamen Systems der europäischen Sicherheit würde - in der zweiten Etappe - die Bildung (auf Vertragsbasis) einer Organisation der Europäischen Staaten unter Teilname der USA und Kanadas leisten.

Die dritte Etappe würde in ein konföderiertes Europa freier und unabhängiger Staaten müden.

Die Europäische Sicherheitskommission würde ihre Tätigkeit auf der Grundlage des Konsenses entwickeln. Sie würde zuerst konsultative, koordinierende und bestimmte Kontrollfunktionen wahrnehmen, später auch Funktionen, über die sich die Teilnehmerstaaten noch einigen werden. Insbesondere würde es sich um folgende Aufgaben handeln:

-international-politische Zusammenhänge der europäsichen Sicherheit prüfen und die Verabschiedung geeigneter Maßnahmen vorschlagen.

-Fälle der Bedrohung des europäischen Friedens und der Sicherheit: Der Entstehung zugespitzter Situationen, Streitfällen, militärischen Zwischenfällen und Konflikten vorbeugen und Mittel für deren Lösung (Good will, Vermittlung, Ermittlung von Fakten, Schiedsbefund u.ä.) empfehlen und anbieten

-sich mit Fragen der Bedrohung und Verletzung der Sicherheit aus ökonomischen, ökologischen und humanitären Gründen befassen, die großen Umfang und internationale Auswirkungen haben

-Raum schaffen für direkte Kontakte, Verhandlungen beider Gruppierungen und ihrer Mitglieder, im Bedarfsfalle auch unter Teilnahme neutraler und nichtpaktgebundener europäischer Staaten

-Vorschläge zum Verlauf der Verhandlungen bei europäischen Abrüstungs- und Sicherheitsforen unterbreiten und Richtungen aufweisen

-Möglichkeiten der Inhaltserweiterung bestehender Abrüstungsforen und der Einsetzung neuer Foren prüfen

-die Berichte der Kontroll- und Konsultativzentren über die Erfüllung der europäischen Abrüstungs- und Sicherheitsabkommen erörtern

-über Veränderungen in Sachen Doktrin, Struktur, Organisation und Haushalt und die Einführung neuer Rüstungssysteme informieren

-die UNO und weitere Regionalorganisationen über die im Bereich der europäischen Abrüstung und Sicherheit erreichten Ergebnisse informieren.

Die Kommission würde auf der Ebene der Außenminister und deren ständiger Stellvertreter zusammentreten. Die ordentlichen Tagungen der Kommission auf Ministerebene würden mindestens ein Mal im Jahr stattfinden. Die außerordentlichen Tagungen könnten auf Antrag der Teilnehmerstaaten einberufen werden.

Die Sitzungen der ständigen Vertreter würden einmal im Monat stattfinden, gegebenenfalls auch öfter, sollte dies von einem der Teilnehmerstaaten beantragt werden.

Der Kommission würde ein aus militärischen Vertretern der KSZE-Teilnehmerstaaten zusammengesetzer militärischer Ausschuß unterstehen. Dieser würde mindestens einmal im Jahr zusammentreten, um sich mit Fragen zu befassen, die von der Kommission abzustecken sind. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben könnte die Kommission Hilfsorgane einsetzen. Die notwendigen technischen Dienste für die Kommission würde ein nicht großes, operatives, ständiges Sekretariat sichern.

Die Tschechoslowakei bietet Prag als ständigen Sitz der Kommission an. Auf Antrag der Teilnehmerstaaten könnte die Kommission ihre Tagungen auch an anderem Ort abhalten.

Das kommende Gipfeltreffen der 35 Staaten, das wichtige Fragen der weiteren Entwicklung der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa erörtern wird, könnte auch eine Entscheidung über die Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen für die Bildung der Europäischen Sicherheitskommission - als Keimzelle der neuen Sicherheitsstruktur auf dem Kontinent - treffen. Prag, den 6. Arpil 199

(leicht gekürzt

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