: Freier Wohnungsmarkt ist vertretbar
Staatssekretär des Bauministeriums, Glotzbach: Mietpreisbindung in der DDR nur kurzfristig und vorläufig ■ Von Eva Schweitzer
Potsdam (taz) - „Die Mieter in der DDR müssen möglichst früh an die in der BRD angepaßt werden“, sagte der neue Staatssekretär des DDR-Bauministeriums, Glotzbach (CDU), auf einer Fachtagung des Verbandes Westberliner städtischer Wohnungsbaugesellschaften in Potsdam. „Denn wir wollen keine West-Ost-Wanderung wegen unserer billigen Mieten, das verschärft bei uns die Wohnungsnot.“ Zwar werde es eine „kurzfristige, vorläufige Mietpreisbindung“ in der DDR weiter geben, so Glotzbach, aber nicht mehr lange, denn das behindere die freie Marktwirtschaft. Man müsse klare Regelungen für in- und ausländische Investoren schaffen. „Für Familien mit hohem Einkommen ist ein freier Wohnungsmarkt vertretbar, Wohngeld kann es nicht für alle geben,“ legte Glotzmann noch nach. Er erinnerte an den Stufen-Plan seines Ministers Viehweger, der vorsieht, zunächst die Mieten zu verdreifachen, damit sie kostendeckend werden, dann Kapitalkosten umzulegen und schließlich auch den Wert des Grund und Bodens. Dazu kommen noch die Modernisierungskosten. In der BRD gilt die Regelung, daß elf Prozent der Baukosten auf die Jahresmiete umgelegt werden dürfen. Alles zusammen dürfte die DDR-Mieten auf Unsummen hochtreiben, denn Glotzbach schätzt den Bedarf der DDR für Instandsetzung, Infrastrukturmaßnahmen und für den Neubau von 700.000 bis 800.000 Wohnungen auf 450 Milliarden Mark in den nächsten zehn Jahren. Davon könne die DDR nur die Hälfte aufbringen.
Über den genauen Zeitpunkt der Angleichung ans BRD-Niveau schwieg Glotzbach sich aus, die „Stunde Null“, also die Verdreifachung der Mieten, sei „jedenfalls nicht am 1. Juli, das muß alles mit Einkommenssteigerungen einhergehen.“
Von großem Wert seien, betonte Glotzbach, die Erfahrungen der BRD, die auch einen Staatssekretär, Jürgen Echternach (CDU), vom Bundesbauminsterium zur Tagung schickte. „Schon Ludwig Erhardt hat gesagt, die Marktwirtschaft wird ungeahnte Kräfte entfesseln“, sagte er. In der DDR müßten gleiche Lebensbedingungen herrschen wie in der BRD, so, „daß die Leute nicht mehr den Koffer packen“. Wer trotzdem übersiedle, treffe nämlich in der BRD auf einen „leergefegten Wohnungsmarkt“.
Über das Ausmaß des Wohnungsdefizits gebe es zwar nur ungenaue Zahlen - ein anwesender Vertreter einer westlichen Wohnungsbaugesellschaft sprach von 1,2 Millionen fehlenden Wohnungen - aber es gebe einen punktuellen, gravierenden Wohnungsmangel in den Ballungsgebieten und auch auf dem flachen Land. Das ist offenbar eine neue Sprachregelung aus dem Bundesbauministerium, um das unschöne Wort „Wohnungsnot“ zu vermeiden. Das habe sich durch die Öffnung der Grenzen noch weiter verschärft. Der Übersiedlerstrom solle deshalb nicht nur gestoppt werden, sondern Echternach wünscht sich, daß die Übersiedler zurück in die DDR kehren und sich womöglich noch einige Bundesbürger anschließen. „Denn wir kurbeln zwar den Wohnungsbau an, aber wir sind am Rand unserer finanziellen Kapazität.“ Trotzdem gefällt Echternach die BRD besser als die DDR. „Ihre billigen Mieten, das war politischer Schwindel, die Mieten müssen künftig die Kosten decken. Auch bei uns werden 80 Prozent des Wohnungsbaus über privates Kapital finanziert“. Im übrigen, so kündigte Echternach an, werde es bald eine einheitliche mietrechtliche Regelung für Ost- und West-Berlin geben.
Die zuhörenden Vertreter der östlichen Kommunalen Wohnungsverwaltungen hatten hingegen andere Sorgen: Sie fürchten nach der Währungsunion überschuldet dazustehen. „Das ist ein allgemeines Problem“, meinte Glotzbach dazu nur. Die KWV sollten in private, allerdings gemeinnützige Gesellschaften umgewandelt werden, die Mieter sollten ihre Wohnungen erwerben können. Es müsse allerdings noch geklärt werden, wem die KWV-Häuser eigentlich gehören.
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