Offen über Ostsee reden

■ DDR-Umweltministerium veranstaltet erste nationale Schutzkonferenz / 50.000 Tonnen Dreck allein aus der DDR

Berlin (taz) - An der DDR-Ostseeküste möchte Martin Hoffmann, Leiter der staatlichen Gewässeraufsicht, nicht unbedingt baden. Wie im letzten Jahr ist auch in diesem Sommer erneut mit einem massenhaften Algenwachstum zu rechnen. 1989 mußten daher erstmals etwa 15 Kilometer Badestrand in der DDR gesperrt werden. Wie in den anderen Ostsee-Anrainerstaaten auch ist eine der Ursachen der massenhafte Schadstoffeintrag in das ökologisch sensible Brackwasser-Meer. Weitere „Ostsee-Würger“ sind sauerstoffzehrende organische Substanzen und schwer abbaubare, giftige Stoffe.

„Offen und ehrlich über den Zustand der Ostsee zu reden“, ist auch das Anliegen der „1. Nationalen Konferenz Schutz der Meeresumwelt Ostsee“, die am 18. und 19. Mai vom DDR -Umweltministerium in Rostock veranstaltet wird. Quer durch alle Parteien, Industrien, Kommunalen Verbände und Umweltschutzverbände soll die schauerliche Schadstoffbilanz erörtert werden. 250 Experten haben sich angemeldet, darunter auch der Kieler Umweltminister Berndt Heydemann.

Eine Bilanz der Verseuchung legte gestern erstmals Gewässeraufsicht-Leiter Hoffmann bei einer Pressekonferenz vor. An dem Schadstoffeintrag ist die DDR danach mit weniger als einem Prozent beteiligt. Die absoluten Zahlen sprechen gleichwohl eine deutliche Sprache. Der Müll-Lieferant Nummer eins ist im kommunalen Bereich zu suchen.

Von 64.700 Tonnen organischen Mülls wandern Jahr für Jahr gerade einmal 43 Prozent durch veraltete Kläranlagen. Mit einigem Glück passiert der Dreck sogar einmal eine biologische Reinigungsstufe. Stickstoffverbindungen schlagen mit 8.800 Tonnen, Phosphate mit 1.650 Tonnen zu Buche. Die Zahlen sind zudem schon dahingehend korrigiert, daß nur der nackte Stickstoff- oder Phosphoranteil berücksichtigt wurde. Von Industrie und Landwirtschaft gelangen jährlich weitere 1.330 beziehungsweise 7.540 Tonnen stickstoffhaltigen Mülls ins Meer. An phosphathaltigen Abfällen liefern die beiden Bereiche noch einmal ungefähr 180 Tonnen.

Wolfgang Gast