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Die Frau in der CDU-Männerriege

■ Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth will Niedersachsens künftige Sozialministerin werden

Das „personifizierte Sozialprogramm“ der niedersächsischen CDU nennt Ministerpräsident Ernst Albrecht seine designierte Nachfolgerin. Ein „Torpedo mittschiffs“ ist sie in den Augen des CDU-Landesvorsitzenden Wilfried Hasselmann. Doch auch bei der letzten Pressekonferenz der CDU vor den Wahlen, bei der die Wahlkämpferin Rita Süssmuth mit anwesend ist, will Albrecht „unser Geheimnis“ nicht lüften: wann ihn die Bundestagspräsidentin denn im Amt ablösen soll, falls sich die CDU/FDP-Koalition bei den Wahlen behauptet. „In dem Augenblick, wo man sagt, dann und dann gehe ich, soll man lieber gleich gehen“, begründet der Regierungschef seine Verschwiegenheit, „denn dann hat man einen Teil der Autorität, die man zum Regieren braucht, schon verloren.“ Doch auf Hannovers Litfaßsäulen kleben Rita Süssmuth und Ernst Albrecht in gleicher Größe und in gleicher Aufmachung.

Rita Süssmuth hat den „Kampf für ein sozial gerechtes Niedersachsen“ in den Mittelpunkt ihrer etwas betulichen Wahlkampfreden gestellt. Sie verspricht, sich für pflegebedürftige alte Menschen und alleinerziehende Frauen einzusetzen, bleibt damit letztlich aber vage. Als „künftige Sozialministerin in Niedersachsen“ wolle sie für Alleinerziehende mit Kindern zwischen achtzehn Monaten und drei Jahren „stufenweise eine Unterstützung in Höhe von einigen hundert Mark“ einführen, verkündet die Bundestagspräsidentin auf jener letzten Pressekonferenz der CDU. Familien, die schwer Pflegebedürftige betreuen, sollten in Niedersachsen ein Pflegegeld erhalten. Selbsthilfezentren wolle sie aufbauen. Das war's: Einen Termin für die Einführung der Zuwendungen nennt sie nicht. Und bevor man deren Höhe beziffern könne, müsse man erst noch Anhörungen durchführen.

Kein Wunder, daß sie das sagt. „Über die Wünsche von Frau Süssmuth werden wir reden, wenn der Landeshaushalt aufgestellt wird. Ich lese das immer mit Interesse in der Zeitung, was sie alles ankündigt“ - mit diesen harschen Worten hat die einzige Frau im Kabinett Albrecht, Finanzministerin Birgit Breuel, Süssmuths Bemühungen kurz vor der Pressekonferenz konterkariert. Zweimal muß Rita Süssmuth jetzt versichern, daß sie mit Birgit Breuel tatsächlich über das Pflegegeld und die geplante Unterstützung für Alleinerziehende geredet habe. Bei Birgit Breuel ist selbst das Hannoveraner Institut „Frau und Gesellschaft“ nicht wohlgelitten, das Süssmuth bis zur ihrer Berufung zur Bundesfrauenministerin leitete und in dessen Beirat sie heute noch sitzt. Ausgerechnet seit Einstellung einer der Finanzministerin zugeordneten niedersächsischen Frauenbeauftragten werden dem Institut neue Forschungsaufträge verweigert.

„Der Blick auf die Geschichte belegt, daß wir Frauen unsere Rechte niemals freiwillig zugesprochen bekamen, sondern sie immer erst durchsetzen mußten“, doziert Rita Süssmuth in den Wahlanzeigen der niedersächsischen Presse. Am gleichen Tag erschien in den Hannoveraner Zeitungen eine von dreihundert Frauen unterzeichnete Gegenanzeige: „Sehr geehrte Frau Süssmuth, mit Ihrer Kandidatur in Niedersachsen erweisen Sie der Sache der Frauen einen schlechten Dienst“. Die Unterzeichnerinnen - Grüne und vor allem Sozialdemokratinnen - erinnern an die Frauenfeindlichkeit der niedersächsischen CDU und an den Ausspruch Wilfried Hasselmanns: „Ich liebe Frauen, aber nicht in der Politik.“ Sie rufen ins Gedächtnis, daß sich in der 68köpfigen CDU-Landtagsfraktion ganze vier Frauen befinden und daß der niedersächsische Sozialminister Hermann Schnipkoweit eigenmächtig und ohne rechtliche Grundlage den ambulanten Schwangerschaftsabbruch verboten hat. Die „Tradition von Sozialminister Schnipkoweit“ wolle sie übernehmen, hat Rita Süssmuth in ihren Wahlkampfreden betont. „Frau Süssmuth, Sie setzen die unrühmliche Tradition der Frauen fort“, beschweren sich die Unterzeichnenden, „sich dort einspannen zu lassen, wo Männer den Karren in den Dreck gefahren haben, um dann vielleicht in einigen Jahren Ernst Albrecht beerben zu können.“

Jürgen Voges

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