Nürnberg: Stelldichein der Atomlobby

„Jahrestagung Kerntechnik '90“ in der Nürnberger Meistersingerhalle / Kontroverse in der SPD-regierten Stadt / Anti-Atomgruppen mit vielfältigen Aktionen gegen „Klima-Offensive“ der Atomindustrie  ■  Aus Nürnberg Bernd Siegler

Die Creme der bundesdeutschen und der internationalen Atomlobby versammelt sich morgen in Nürnberg. Auf der „Jahrestagung Kerntechnik '90“ wollen das „Deutsche Atomforum“ und die „Kerntechnische Gesellschaft“ in die Offensive gehen. „Umweltfreundliche Atomenergie“ gegen die Klimakatastrophe lautet die Zauberformel, die derzeit mit einer Anzeigenkampagne in den Medien verbreitet wird. Atomkraftgegner wollen dafür sorgen, daß die Vertreter aus Atomindustrie, Politik und Wissenschaft während der dreitägigen Konferenz nicht ungestört bleiben.

Bereits vor der Jahrestagung in der Nürnberger Meistersingerhalle hatte es Auseinandersetzungen darüber gegeben, ob die Stadt die Tagungsteilnehmer willkommen heißt oder nicht. Immerhin hat die Stadt Nürnberg sich mit Einwendungen gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf beim Erörterungstermin hervorgetan und ein Gutachten über das Gefahrenpotential von Atommülltransporten finanziert. Auch die bayerische SPD hatte nach Tschernobyl Kernenergie als „falschen Weg“ bezeichnet und den Ausstieg bis 1995 gefordert. Damals hatten die in der Stadt regierenden Sozialdemokraten angekündigt, daß „Bayerns SPD entschlossen ihren Kurs steuern“ werde. Davon ist vier Jahre nach Tschernobyl nichts mehr zu spüren. Einen vor den Kommunalwahlen gestellten Eilantrag der Grünen, die Tagung für unerwünscht zu erklären, verschoben die Fraktionen von SPD und CSU bis nach den Wahlen, um ihn dann geschlossen abzulehnen. SPD-OB Schönlein argumentierte mit der „Liberalität und Offenheit“ der Stadt, deren Ansehen der Antrag der Grünen schweren Schaden zufüge. Schönlein wird nun zu Beginn der Jahrestagung ein Grußwort der Stadt Nürnberg verlesen, während Schwandorfs SPD-Landrat Schuierer am Dienstag um 18 Uhr auf der Kundgebung gegen die Tagung reden wird.

Eine Vielzahl bayerischer Anti-Atomgruppen, die Grünen und der Bund Naturschutz wollen die Klima-Offensive der Atomindustrie als „groteskes Ablenkungsmanöver“ entlarven. Der Atomtod sei nicht die Alternative zur Klimakatastrophe. Mit vielfältigen Aktionen soll deutlich gemacht werden, daß „die Pläne der Atomgewinnler“ im Ansatz bekämpft werden müssen und nicht am nächsten Bauzaun oder nach dem nächsten Super-GAU. Vom 15. bis 17.5. wird es täglich um 8.30 Uhr eine Mahnwache vor der Meistersingerhalle geben. Morgen findet nach dem „Trommeln gegen die Atommafia“ um 18.00 Uhr eine Kundgebung statt. Am Donnerstag sollen die Tagungsteilnehmer um 17.00 Uhr mit Trommeln und Samba „ausgetrieben“ werden.