Abfuhr für Kohls Deutschlandkurs

■ Die Niedersachsen-SPD mit Schröder gewinnt die Wahl / Grüne in Hannover wieder im Landtag / NRW: Landesvater Rau behauptet absolute Mehrheit / CDU-Mehrheit im Bundesrat weg / Jetzt auch die Grünen im Düsseldorfer Landtag / Republikaner abgeschlagen

Hannover/Düsseldorf (taz) - Die WählerInnen in Niedersachsen haben ihrem CDU-Landesfürsten Albrecht nach 14 Jahren endlich den Laufpaß gegeben. Mit der CDU-Mehrheit in Hannover hat Kanzler Kohl gleichzeitig seine Mehrheit im Bundesrat verloren. Die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Gerhard Schröder hat jetzt 71 Sitze im Landtag an der Leine, fünf mehr als die CDU. Grüne und FDP verfügen über je neun Abgeordnete. Damit steht der Weg für eine rot-grüne Regierung offen.

Zweiter Wahlsieger des gestrigen Sonntags: Die SPD hat in Düsseldorf die absolute Mehrheit behauptet. Nordrhein -Westfalen will seinen Rau behalten. Stundenlang blieb die Zitterpartie um einen Einzug der Grünen in den Landtag von Düsseldorf offen. In beiden Ländern blieben die Republikaner bei kaum 2 Prozent.

Für SPD-Chef Vogel ist die veränderte Bundesratsmehrheit das wichtigste Ergebnis der Landtagswahlen. Die Sozialdemokraten wollten damit nun „mehr Besonnenheit in der Deutschlandpolitik durchsetzen“. Verlierer Albrecht verband noch am Wahlabend das Eingeständnis seiner Niederlage mit dem Versprechen, er werde sich nun aus der Politik zurückziehen. Mitverlierin Süssmuth stellte klar, sie wolle jetzt doch lieber Bundestagspräsidentin bleiben. In den Mittelpunkt der Debatte in Hannover geriet sehr bald die Frage nach der Haltung der FDP zu einer rechnerisch möglichen Koalition mit der SPD Schröders. Sowohl der Bundesvorsitzende Lambsdorff als auch die FDP -Landespolitiker Jürgens und Hildebrandt schlossen eine sozialliberale Koalition aus. SPD-Schröder aber will mit den Liberalen ebenso wie mit den Grünen verhandeln.

Die Sensation in Niedersachsen zeichnete sich gestern gegen 18.45 Uhr ab: Nach den Hochrechnungen von ZDF und ARD war Ministerpräsident Ernst Albrecht endlich zwangspensioniert worden. Das ZDF prognostizierte für den neuen Landtag zunächst eine Mehrheit von drei, die ARD die denkbar knappste Mehrheit von einem Sitz für eine Koalition aus SPD und Grünen.

Große Verschiebung gegenüber der Wahl 1986, aus der CDU und FDP mit einer Ein-Stimmen-Mehrheit hervorgegangen waren, hatte die Nidersachsenwahl zwar nicht erbracht, doch Gerhard Schröder hatte schon vor 19 Uhr die wenigen Prozentpunkte hinzugewonnen, die ihm vor vier Jahren an der Machtübernahme fehlten: Die CDU hat demnach zwischen 1,6 und 2,2 Prozent verloren, die SPD etwas mehr hinzugewonnen, als die Grünen mit knapp einem Prozent abgeben mußten. Der Wahlabend blieb in Hannover lange spannend: Über die Voraussetzungen für die Entscheidung rot-grün oder sozialliberal mußten die letzten Zehntelprozent hinter dem Komma entscheiden.

Die nordrhein-westfälische SPD verteidigte bei den Landtagswahlen ihre absolute Mehrheit denkbar knapp. Während die CDU nicht einmal ihr schon katastrophal schlechtes Ergebnis von 1985 halten konnte - die Hochrechnungen schwanken um 36 Protent - haben die Grünen den Einzug in den Landtag geschafft. Das ist das eigentlich Neue in Düsseldorf. Michael Vesper von den Grünen gab sich überzeugt, daß „wir den anderen zeigen, wie man eine vernünftige Opposition machen kann“. Vesper erklärte die leichten grünen Gewinne mit dem grünen Wahlkampf, in dem es gelungen sei, das ökologische Profil der Partei zu schärfen. Die FDP konnte ihre sechs Prozent nicht halten, wird aber im Landtag vertreten sein. Blüm hingegen will, wie er sagte, weiter für „eine antisozialistische Politik“ kämpfen - aber in Bonn, nicht in Düsseldorf als Oppositionsführer. Johannes Rau hielt sich bei dem „Dämpfer“ für seine Partei am Sonntag nicht lange auf, sondern freute sich über seine Mehrheit und erklärte, die Wahl sei zwar keine „Testwahl“ gewesen, aber für die nächste Bundestagswahl gebe es jetzt „ganz andere Startchancen“. Das politische Klima werde nun verändert.