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Der Auferstandene

Joan Aguilera, Sieger der „German Open“ 1984 und 1990  ■  PRESS-SCHLAG

Im Frühjahr 1985 traf beim Davis-Cup-Match Bundesrepublik Deutschland gegen Spanien in Sindelfingen der damalige Weltklassespieler Joan Aguilera auf einen recht unbekannten jungen Mann namens Boris Becker, der bis zu jenem Sieg in Wimbledon, der ihn mit einem Schlag berühmt machen sollte, noch ein paar Monate Zeit hatte. Aguilera wurde von dem Siebzehnjährigen förmlich deklassiert, und Spanien schied aus dem Davis Cup aus. Fünf Jahre später, im Finale von Hamburg, lief die Sache nun genau umgekehrt, ebenso wie sich die Karrieren der beiden Spieler seit jenem Frühjahrstag 1985 diametral entgegengesetzt entwickelt hatten. Denn während Becker schnurstracks nach oben schoß, stand Aguileras Niederlage von Sindelfingen am Anfang eines rapiden Verfalls, der ihn innerhalb von zwei Jahren von Platz sieben der Weltrangliste auf Platz 310 rutschen ließ.

„Joan Aguilera ist der beeindruckendste Sandplatzspieler, den ich seit Manuel Santana gesehen habe“, hatte Rex Bellamy von der Londoner 'Times‘ 1984 geschrieben, „und nach 25 Jahren, die ich über Tennis schreibe, ist es sehr schwer, mich zu beeindrucken.“ 1984 war das Jahr, in dem Aguilera, damals 22 Jahre alt, seine größten Erfolge feierte und auch zum erstenmal am Hamburger Rothenbaum „Internationaler Deutscher Tennismeister“ wurde.

Doch der sensible Katalane bekam bald Probleme mit der Wildwestmentalität im Tenniszirkus. „Man sagte mir, daß ich meine Rivalen hassen müßte, daß ich nicht mit ihnen sprechen dürfte, daß ich ein Hurensohn sein müßte. Ich haßte dieses Tennis auf den Tod.“ Aguilera stand zu jener Zeit völlig unter dem Einfluß seines Trainers Lluis Bruguera, ehrgeiziger Vater des Tennisprofis Sergio Bruguera. „Er dominierte mich völlig. Meine Persönlichkeit existierte nicht.“

Aguilera verlor den Spaß am Tennis, den Glauben an sich selbst, und es begann eine erstaunliche Niederlagenserie. Der Spanische Tennisverband ließ den „Versager“ schnell fallen wie eine heiße Kartoffel („Niemand fragte, ob er mir helfen könne“), und Joan Aguilera geriet als Tennisspieler bald in Vergessenheit. Dafür machte er als Rockmusiker Furore, seine Band, in der zeitweise auch der uruguayische Tennisspieler Diego Perez mitwirken durfte, erspielte sich in Spanien einen beachtlichen Ruf.

Schließlich, im Jahre 1988, war er nahe daran, endgültig mit dem Tennis, aufzuhören, doch seine Frau und der Argentinier Martin Jaite, mit dem er eng befreundet ist, überredeten ihn zum Weitermachen. „Diese Auferstehung rettete mein Leben“, sagt er rückblickend, „sonst wäre ich für den Rest meiner Tage ein verlorener Bitterling geworden.“ Die Trennung von Trainer Bruguera und die Arbeit mit seinem neuen Coach Alberto Tous trug schließlich Früchte, und vor zwei Jahren kam in einem Match gegen Mats Wilander der mentale Durchbruch: „Ich fühlte mich wie auf einer Wolke. Meine Schläge hatten Inspiration, wie vorher. Ich genoß es wie ein Verrückter. Ich verlor, aber etwas begann sich zu ändern.“

1989 gewann er in Bari sein erstes Turnier seit 1984, in Monte Carlo besiegte er vor drei Wochen den Weltranglistenzweiten, Stefan Edberg, und in Hamburg schloß sich nun gegen Becker der Kreis gleich doppelt. Wie 1984 gewann er die „German Open“ und gegen Boris Becker gelang ihm die eindrucksvolle Revanche für Sindelfingen. „Ich habe jetzt viel mehr Energie“, warnt er künftige Kontrahenten, „denn ich habe aufgehört, mich mit mir selbst herumzuschlagen.“

Matti

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