Sprachrohr für Afrika

■ Panafrikanische Nachrichtenagentur 'pana‘ will Nachrichten entkolonialisieren / Westliche Nachrichtenagenturen zeichnen ein verzerrtes Bild / Die Redakteure kämpfen mit vielen Hindernissen

Dakar - kein Zweifel. Das hellblaue Holzschild weist den Weg. Vorbei an ausgeschlachteten Omnibussen und lila blühenden Bougainvillea führt der holprige Sandweg zu einem Gartentor. Palmen und Gummibäume verdecken die „Panafrikanische Nachrichtenagentur“, kurz 'pana‘ genannt. Erstaunlich, daß das „Sprachrohr Afrikas“ in einer abgeschiedenen Villa am Rande der senegalesischen Hauptstadt Dakar untergebracht ist. Hier arbeiten also Journalisten, die Afrika unabhängiger machen und im wichtigen Bereich von Nachrichten und Informationen entkolonialisieren wollen. Die 'pana‘ wurde gegründet, damit Afrikaner selbst darüber entscheiden können, was sie in ihrem Kontinent für berichtenswert halten.

„Hungernot, Staatsstreiche, Exotik - was fällt den Menschen in den Industrieländern anderes ein, wenn sie an Afrika denken?“ fragt 'pana'-Redakteur Sidy Gaye. „Und jetzt, nach den Umwälzungen in Osteuropa, ist die Dritte Welt offenbar völlig abgeschrieben.“

Gaye weiß, wovon er spricht; neben seiner Tätigkeit für die staatliche senegalesische Tageszeitung 'Le Soleil‘ hat er zehn Jahre lang als Korrespondent für die amerikanische Nachrichtenagentur 'upi‘ gearbeitet. „Die Freizeitgesellschaften interessieren sich gerade noch für Katastrophen in Afrika, nicht aber für unsere Entwicklungsprobleme.“

Die Idee einer afrikanischen Presseagentur wurde bereits auf der ersten Sitzung der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) im Jahre 1963 geboren. Damals gab es kaum nationale Agenturen auf dem Kontient. „Wenn in Gambia etwas passiert war, erfuhren wir im 300 Kilometer entfernten Dakar nur dann davon, wenn der Korrespondent von 'reuter‘ es für wert hielt, eine Meldung zu schreiben und die Zentrale in London sie dann weiterschickte“, erinnert sich Amadou Dieng, Direktor der senegalesischen Nachrichtenagentur ('aps‘). Die Debatte über die Weltinformationsordnung gab dem Plan in den siebziger Jahren neuen Schwung. „Nachrichten über Afrika von Afrikanern“, lautete das Motto. 1979 gründete die OAU die 'pana‘, vier Jahre später ging die erste Meldung auf den Draht.

Inzwischen hat fast jedes afrikanische Land seine eigene Agentur. Die 'pana‘ sorgt dafür, daß der Informationsfluß von Nord nach Süd durch einen Informationsfluß innerhalb des afrikanischen Kontinents ergänzt wird. Die Agenturen der 42 Mitgliedsländer der 'pana‘ schicken Nachrichten an die Zentrale nach Dakar, die sie miteinander vernetzt. 16 Redakteure und sechs Übersetzer redigieren die Meldungen für den internationalen Dienst, der auf Englisch und Französisch gesendet wird; Arabisch und Portugiesisch sollen hinzukommen. Für 1990 hat sich die 'pana‘ das Ziel gesetzt, ihre Nachrichten auch außerhalb Afrikas zu verkaufen. Die 'pana‘ sammelt und verteilt nicht nur Informationen, sie schickt auch eigene Korrespondenten vor Ort. Bislang schreiben 'pana'-Journalisten etwa 15 Prozent des Dienstes selbst. Ob dieser Anteil erhöht werden kann, hängt von den Finanzen ab.

Geld fehlt jedoch. Nur fünf der 42 Mitgliedsländer hatten bis März alle Beiträge bezahlt. „Oft erhalten wir nur 45 Prozent unseres Jahresbudgets, das auf 3,6 Millionen Dollar berechnet ist“, klagt der kongolesische Generaldirektor, Auguste Mpassi-Buba. Ende 1989 standen insgesamt 13 Millionen Dollar aus.

Für die Zahlungsmoral spielen Wünsche und Eitelkeiten einzelner Mitgliedsländer offenbar eine große Rolle: „Da Tunesien keinen Direktorenposten erhielt, stellte die Regierung ihre Beitrittszahlungen ein. Nigeria hingegen bezahlt, seitdem es einen Direktor stellt“, berichtet Mpassi -Muba. „Länder wie die Komoren, Dschibuti, Mauritius oder Äquatorial-Guinea werden wohl nie Beiträge bezahlen, weil sie kein Geld haben.“

Um dennoch arbeiten zu können, macht die 'pana‘ Schulden. Bei der staatlichen senegalesischen Telefongesellschaft SONATEL steht sie mit einer Million Dollar in der Kreide. Die 'pana‘ anzurufen, ist daher gar nicht so einfach: Die SONATEL hat mehrere Telefonleitungen gesperrt und die einzig noch funktionierende Nummer erfährt man nur von 'pana' -Mitarbeitern. Vor zwei Jahren unterbrach die Telefongesellschaft sogar die Telex-Leitungen, was sie jedoch wegen der Proteste der 'pana'-Kunden nicht lange durchhalten konnte. Der Generaldirektor hat kein Verständnis für dieses Verhalten: „Senegal hat sich darum gerissen, daß die 'pana‘ nach Dakar kommt. Jetzt tut die Regierung nichts, um uns die Arbeit zu erleichtern. Die SONATEL verlangt 600.000 Dollar im Jahr, Sondertarife hat sie abgelehnt.“

Ein anderes Hindernis für die 'pana‘ ist, daß gerade viele Afrikaner ihre Arbeit pauschal gering schätzen. Der Direktor der senegalesischen 'aps‘ stellt sogar die wichtigste Agentureigenschaft in Frage, ihre Glaubwürdigkeit. „Die 'pana‘ bezieht ihre Informationen hauptsächlich von den nationalen Agenturen und da diese oft Sprachrohr ihrer Regierung sind, ist die 'pana‘ selber eine fast offizielle Agentur“, sagt Dieng. Er spricht wohl aus Erfahrung, denn 'aps‘ ist selbst in staatlicher Hand.

Tatsächlich verlangt die Konvention der 'pana‘, daß jede Nachricht der Mitgliedsländer unverändert in den internationalen Dienst geleitet wird. Doch die Redakteure in Dakar setzen sich über diese Vorschrift hinweg. „Das haben Politiker formuliert“, sagt Nachrichtendirektor Victor Adefela. „Als professionelle Journalisten können wir nicht danach arbeiten. Wir haben beantragt, daß der Artikel gestrichen wird“, versichert der Nigerianer. Generaldirektor Mpassi-Muba läßt den Vorwurf der Staatsnähe und mangelnden Glaubwürdigkeit nicht gelten. „In Ghana, Kongo und vielen anderen Ländern arbeiten Redakteure der staatlichen Agenturen zugleich als Korrespondenten für westliche Medien. Meinen Sie, die schreiben für 'afp‘ freier als für die 'pana‘?“

„Die 'pana‘ ist doch längst tot“, urteilte kürzlich ein afrikanischer Journalist, der in Paris arbeitet. Sidy Gaye wird wütend, wenn er solch abschätzige Bemerkungen von Kollgen hört, die den Kontinent verlassen haben. „Die Situation in Afrika kann sich nur ändern, wenn wir entschlossen sind, die Probleme an Ort und Stelle anzupacken. Wir sind dabei, die intellektuellen und politischen Bedingungen für unsere Arbeit zu schaffen.“ Für Gaye ist die 'pana‘ eine Herausforderung. „Wenn die 'pana‘ die nötigen personellen und technischen Mittel erhält, wird sie ohne weiteres mit 'afp‘ und 'reuter‘ konkurrieren können. Dann erst läßt sich vergleichen, wer besser arbeitet.“

Damit dieser Vergleich möglich wird, müssen die afrikanischen Staaten noch eine Menge tun. Bisher legen viele Regierungen der 'pana‘ eher Stolpersteine in den Weg. In Senegal etwa hat die staatliche Agentur 'aps‘ das Monopol für die Verteilung aller Informationen. 'aps‘ sendet den eigenen Dienst sowie 'afp‘ und 'reuter‘ direkt an die Kunden weiter; für die 'pana‘ steht angeblich keine Leitung mehr zur Verfügung. Deshalb bringt ein Chauffeur den gesammelten Dienst nachmittags mit dem Auto zu den Kunden.

Vielleicht ist es noch nicht so erstaunlich, daß Senegal der 'pana‘ eine Villa am Rande der Stadt zugewiesen hat. Man könnte meinen, die Regierung wolle die Agentur in Watte einbetten und vom „wahren Afrika“ entfernt halten. „Die afrikanischen Länder haben gemeinsam eine Nachrichtenagentur gegründet und nun sind sie die ersten, die sie an den Rand drücken“, klagt Mpassi-Muba. Information ist in Afrika noch immer ein hochsensibler Bereich. Denn bei kritischem oder gar investigativem Journalismus könnten viele Politiker nicht mehr ruhig schlafen.

Bettina Kaps