: Neue Herausforderer gesucht!
Mit der 2:3-Niederlage gegen Kaiserslautern im Pokalfinale verabschiedet sich Werder Bremen vom internationalen Fußball, wobei Manfred Burgsmüller die Chance verpaßt, zur Legende zu werden ■ Aus Berlin Herr Thömmes
Das Orakel von der Weser hatte Böses vorausgesagt. „Bei einer Niederlage werden alle Mistkübel nach Bremen gefahren und über uns ausgeschüttet“, schwante Otto Rehhagel, und nach 30 Minuten sah es so aus, als könnten sich die Jauchetransporter auf den Weg machen. Da hatte Bruno Labbadia einen per Kopf verlängerten Eckball mit eben jenem Körperteil ins Netz bugsiert, Torhüter Oliver Reck einen Direktschuß des selben Spielers eigenhändig und tollpatschig über die Linie gedrückt, hatte Frank Nelle die Abwehr überlupft und Stefan Kuntz zu einer leichten Kopfballübung verholfen: 3:0.
Es war ja nicht so, daß der 1. FC Kaiserslautern damit einen spielerischen Wirbel trefflich genutzt hätte. Fahrig und hektisch rannten beide Mannschaften über den Rasen des Olympiastadions, ein Zustand, der bis zum Abpfiff nie so richtig abgelegt werden sollte. Auch die Pfälzer gingen nach der überraschenden Führung keineswegs bedachter zu Werke, versuchten sich vielmehr mit einem 8-0-2-System: Vorn alleingelassen die beiden Torschützen, hinten wurde gekeilt.
Gegen ein solches Team zu verlieren muß einen Favoriten schmerzen, und Rehhagel blieb dann nur ein „der Wille war da“. Viel mehr auch nicht. Im Kasten ein verstörter Oliver Reck, dessen Abschläge wie Querschläger übers Feld sausten; die Abwehr verschnarcht mit einem verbiesterten Uli Borowka, Rune Bratseth ungewohnt unsouverän; im Mittelfeld ein Italienfahrer, dessen unansehnliches Gewürge den von Beckenbauer ansgemusterten Hans Dorfner bis kurz vor die Selbstentleibung getrieben haben dürfte.
Und der berühmte Sturm? Karlheinz Riedle in der Obhut von Franco Foda, Wynton Rufer von Kaj Friedmann ruhiggestellt. Es waren schließlich die vom Trainer verschmähten Bankdrücker Frank Neubarth und Manfred Burgsmüller, welche dem Spiel wieder Leben einhauchten durch ihre beiden Tore. Und der 40jährige Oldie, Quell unzähliger Histörchen, hätte sich beinahe noch zur Legende gemacht: Augenblicke nur, nachdem er den Pfälzer Torwart-Hooligan düpiert hatte, beförderte er freistehend den Ball über die Latte.
Ach, das wäre ein Stoff gewesen. Manni, langmähniges Relikt in der Popper-Liga, verhilft Otto, der ihm beim letzten Heimspiel keinen Einsatz und Jubel gönnte, doch noch zum Verbleib im internationalen Geschäft. Achtmal seit dem Aufstieg in die erste Bundesliga hat Werder Bremen dort seine Kasse aufgebessert, nun ist Schluß damit. Im UEFA-Cup an Florenz gescheitert, die Meisterschaft mit Rang 7 abgeschlossen, im 47. Pokalfinale den kürzeren gezogen Werder wird künftig sich einfacher nähren.
Fragen in diese Richtung erreichen Otto Rehhagel nicht. Wie er sich seinen weiteren Verbleib beim SV Werder Bremen vorstellt? Eine Auslandreise, sagt der Trainer, etwas Urlaub und dann die neue Saison vorbereiten. Vielleicht hätte auch kurz und präzise formuliert werden sollen: Werder, war's das?
Jahrelang haben die Norddeutschen die Rolle des Herausforderers der finanziell verwöhnten Bayern gespielt und sich dabei Sympathien all jener zugezogen, die es vormals mit Borussia Mönchengladbach hielten. Recht ersetzen konnten sie die himmelstürmerischen Borussen nicht, aber immerhin: Eine Meisterschaft gilt es zu verbuchen, an denkwürdige Spiele im Europapokal erinnern sich die Fußballfreunde.
Jetzt scheint die Luft erst mal raus, müssen andere den Fehdehandschuh vor Uli Hoeneß legen: Köln, Frankfurt, Leverkusen. Mit Burgsmüller zieht sich ausgerechnet der Spieler aufs Altenteil zurück, der die einzig geistvollen Ansätze zeigte, um Kaiserslauterns mit Leibern verstelltes Tor in Gefahr zu bringen. Riedle hinterläßt sowohl 15 Millionen als auch eine Lücke, und von allen anderen machten lediglich später Bratseth und Neubarth einen vertrauenserweckenden Eindruck.
Gedanken um die Spitze machten sich die Sieger nicht, im Gegenteil. Gerade dem Abstieg entronnen wußte Karl-Heinz Feldkamp genau wo's lang geht: „Wir werden sicher sehr schnell wieder unten sein.“ Was ein Analytiker aus dem Ruhrgebiet gern bestätigt: „Im Grunde isses 'ne Scheißmannschaft.“
Die freut sich jetzt auf Juventus Turin oder Manchester United und gibt sich dem Feiern hin. Mancher Rebstock wird wohl in den kommenden Tagen die sorgsame Pflege vermissen müssen, weil sich die Fans der Teufel am Betzenberger laben.
Und das Orakel von der Weser kann sich vorerst die Nase zuhalten. Dabei könnte Werder Bremen ein bißchen Dünger gewiß nichts schaden. Es muß ja nicht gleich kübelweise sein.
BREMEN: Reck - Bratseth - Borowka (54. Burgsmüller), Otten - Wolter (35. Neubarth), Votava, Eilts, Harttgen, Hermann Riedle, Rufer
KAISERSLAUTERN: Ehrmann - Stumpf - Friedmann (57. Lutz), Foda - Scherr, Dooley, Schupp, Hotic, Lelle - Labbadia, Kuntz
ZUSCHAUER: 76.391
TORE: 0:1 Labbadia (19.), 0:2 Labbadia (26.), 0:3 Kuntz (30.), 1:3 Neubarth (54.), 2:3 Burgsmüller (72.)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen