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Mit entsicherter Pistole gegen DemonstrantInnen

Ein Heer von Bundesgrenzschutz und Polizei gegen Demo in Hamburg aufgeboten / Grund des Protestes: Eine BKA-Razzia in der Hafenstraße  ■  Aus Hamburg Kai von Appen

Rund 2.500 Menschen haben am Samstag in Hamburg - trotz eines generellen Demonstrationsverbots für das gesamte Hamburger Stadtgebiet - gegen die BKA-Razzia in der Hafenstraße demonstriert und standen einer Armee von über 3000 Bundesgrenzschutzsoldaten und Polizeibeamten ausgestattet mit einer Armada von über 50 Wasserwerfern und Panzerwagen - gegenüber. Mehrere hundert „auswärtige Demonstranten“ blieben allerdings in Sperrgürteln der Polizei hängen.

Begründet hatte Innensenator Werner Hackmann (SPD) das Verbot mit dem zu erwartenden „Gewaltpotential“. Da es in anderen Städten bereits zu „Scherbendemos“ gekommen sei, es in Hamburg jedoch bislang ruhig geblieben war, so die Argumentationen, müsse es zwangsläufig an jenem Samstag zu gewaltätigen Auseinandersetzungen kommen.

Zudem hege das Spektrum, das gegen die „RAF-Razzia“ demonstrieren wolle - die sich im übrigen als riesengroßer Flop erwies - „generelle Gewaltbereitschaft“. Nach einem langen Hickhack zwischen den Veranstaltern und der Innenbehörde hatte das Oberverwaltungsgericht entgegen ursprünglicher Praxis das Verbot bestätigt.

Die DemontrantInnen widerlegten Hackmanns Prophezeiung. Gegen 11 Uhr zogen rund 1.200 Protestlinnen zum ersten Mal für 45 Minuten über die Einkaufsmeile Mönckebergstraße, ohne daß es zu Auseinandersetzungen kam. Auch Kleingruppen der Polizei blieben unbehelligt. Als Wasserwerfer und Panzerwagen auffuhren, löste sich die Demo auf, um sich dann wenig später erneut zu einem Zug zu formieren.

Am Gänsemarkt kam es dabei zu Auseinandersetzungen. Als die Polizei die Demo einzukesseln versuchte, durchbrachen die Demonstranten eine Polizeisperre. Dabei wurde ein Polizist von mehreren Demonstranten verprügelt. Er zog darauf seine Pistole, entsicherte sie und richtete sie auf die Gegner.

Während ein Teil der Demonstration anschließend unbehelligt zur Hafenstraße zog, versammelte sich in der City ein weiterer Protestzug mit mehreren hundert Personen. Auch hier kam es zu keinen Zusammenstößen zwischen Polizei und DemonstrantInnen mehr.

Unterdessen gibt es auch aus Polizeikreisen heftige Kritik an der Razzia. Gegenüber der taz erklärte der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft „Kritischer Politzisten“, Manfred Mahr, die Hafenstraßen- Razzia als „rechtlich zweifelhaft“, weil sie nicht dem Auffinden von Straftätern, sondern nur der „Ausforschung der Bewohnerstruktur“ gedient habe.

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