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Homos und Linke: Jenseits der Schmerzgrenze

■ Wer der katholischen Amtskirche nicht in den Kram paßt, muß auf dem „Katholikentag von unten“ diskutieren / Kirchenobere stellten keine Räumlichkeiten zur Verfügung und luden Anti-Atom-Bischof aus / Auch das Happening der Oppositionellen ist überwiegend staatsfinanziert

West-Berlin. Deutlicher könnte der Unterschied kaum sein: während der offizielle Katholikentag die Vaterunser-Passage „Wie im Himmel, so auf Erden“ zum Motto gewählt hat, fragt der „Katholikentag von unten“ die Gläubigen ebenfalls per Bibelzitat: „Was schaut ihr nach oben? Kirche lebt von unten“. Zum fünftenmal seit 1980 melden sich im Katholikentag von unten (Kvu) kritische Kirchengruppen zu Wort.

„Vom offiziellen Katholikentag werden wir immer als Gegenveranstaltung bezeichnet, wir empfinden uns aber als Ergänzung“, sagt Brigitte Loga, Sprecherin des Kvu. Eine gemeinsame Veranstaltung, wie es sie auf den Katholikentagen in München und Aachen gegeben hat, werde diesmal nicht stattfinden. Im Programm der kritischen Katholiken finden sich Veranstaltungen, die dem Großereignis Katholikentag zu heiße Eisen sind. Themen sind unter anderem die „Suche der lustvollen Kirche“, Homosexualität, die „Apartheid für Frauen in der Kirche“ und der Einsatz der Kirchensteuern. Auch wird der Paderborner Theologe Drewermann sprechen, der mit seinem Buch „Kleriker“ für Wirbel in der Amtskirche gesorgt hat - weshalb ihm die Lehrerlaubnis zu entzogen werden soll.

Vor zehn Jahren, beim Katholikentag 1980 in Berlin, gab es zum erstenmal einen „Kvu“. Inzwischen ist die „Initiative Kirche von unten“ ein Zusammenschluß von etwa 40 Basisgemeinden und Betroffenengruppen. Von einer anfangs starken Reaktion auf kirchliche Zustände sei man abgekommen, sagt Brigitte Loga: „Wir leben Kirche so, wie wir es für richtig halten.“

Solange sich beim offiziellen Katholikentag nicht Strukturen änderten, sei an eine Zusammenarbeit nicht zu denken. Was die „Offiziellen“ von ihnen verlangten z.B. Genehmigungspflicht für Themen und Dozenten, sei inakzeptabel, sagt Loga. Einzelne Gruppen des Kvu wie die „Christen für den Sozialismus“ oder die „Homosexuellen und Kirche“ lägen schlicht jenseits der Schmerzgrenze für die katholische Kirchenhierarchie und würden auf dem Katholikentag nicht zugelassen.

Während die Finanzierung mit 250.000 Mark durch das Land Berlin noch im letzten Momemt gesichert werden konnte und die organisatorische Zusammenarbeit zwischen beiden Katholikentagen gut klappt, haben die Veranstalter des Kvu aber doch eine Klage: das „Nein“ des Berliner Bischofs Sterzinsky zur Einladung des französischen Anti-Atom -Bischofs Jacques Gaillot, der auf dem Kvu sprechen sollte. Bei öffentlichen Auftritten in einem fremden Bistum muß ein auswärtiger Bischof den Ortsbischof um Erlaubnis bitten. Sterzinsky sagte nein, und Gaillot blieb zu Hause.

Bernhard Pötter

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