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EIN HOCHSEEGLÜCK

■ „Nur eine Frau an Bord“ - Eine Jeanne Moreau Film-Reihe im fsk

Ein Standesbeamter (Ian Bannen), offensichtlich überdrüssig der Unmengen berufsmäßig erhaltener Liebesbezeugungen, kann im eigenen Urlaub nur Miesmacher sein: Er begegnet seiner Freundin (Vanessa Redgrave) allzeit verstimmt, wenn diese von den Florentiner Kunstwerken zu schwärmen beginnt. Beim Anblick von Michelangelos Skulpturen fällt ihm etwas von Kettensprengen und Privattitanismus ein: Er befreit sich von ihrer Fürsorge bei der erstbesten Gelegenheit. Die Erstbeste ist eine üppige Dorfschönheit in einer italienischen Dorfdisko, die Zweite die Tochter des Pensionsbesitzers, die er derselben Disko zuführt und mit der er ausschließlich zu tanzen verspricht. Die Dritte wird klassisch dreifach geheimnisvoll eingeführt: zunächst als Amerikanerin, als Besitzerin einer gerüchteumwobenen Jacht, die man verführerisch in der Bucht liegen sieht; als Frau am Nebentisch, die sich hinter einem Sonnenbrillenstreifen unkenntlich macht; als eine Art Opiumpflanze, die zwischen dem Uferschilf steht.

Und viertens als Jeanne Moreau. Kaum hat sie sich als Anstandsdame zur Begleitung der jungen Pensionstochter angeboten und dem Standesbeamten gestanden, daß sie nicht Amerikanerin, sondern Französin ist, kann er „avec plaisir“ nur mehr mit ihr tanzen. Er tanzt mit ihr dann auch, ohne zu zögern, auf das Geisterschiff hinauf und in ein Abenteuer hinein, in dem die Glückschancen, wie der Off-Ton immer mal wieder versichert, diesmal doch 1000:1 für ihn stehen. Vor weiß wallenden Segeln wird ein Hochseeglück inszeniert. Und doch wird schon bald klar: wie er in ihr nur diese eine Chance unter tausend herbeiküssen will, umarmt sie in ihm einen anderen, der „der Matrose von Gibraltar“ heißt, ihre einzige Liebe und ein Mörder zugleich sein soll, und den sie seit Jahren zwischen Shanghai und Timbuktu sucht. Dank der Romanvorlage von Marguerite Dumas ist diese Suche zwingend geboten aufgrund der faszinierenden Unschuld des Matrosen und seiner Selbstgenügsamkeit: außer einer kleinen Narbe hinter dem Ohrläppchen scheint kein Mangel dieser Welt seiner zu sein.

Dank der Regie von Tony Richardson (1965) wird diese Suche ein Touring durch arabische Exotik, in der beispielsweise ein Scheich namens Orson Welles den Matrosen im afrikanischen Busch gesehen haben will. Echte Eingeborene werden von der Truppe nach dem Matrosenmörder befragt. Und Jeanne Moreau wird ein Gelegenheit mehr gegeben, ein neues Kostüm auszuprobieren (asymmetrischer Tropenhelm. ER übrigens auch).

Der Busch erweist sich jedoch wie die Tankstelle in Griechenland als falsche Fährte; es bleibt Jeanne Moreau nichts anderes übrig, als sich weiterhin selbst zum Objekt der Begierde zu machen, auf Deck rumzuliegen, die Kostüme und Frisuren zu wechseln, mal in der Hängematte, mal auf den knarzenden Bohlen ihren Glücksritter zu bestechen und der untergehenden Sonne entgegenzusehen. Er glaubt dann noch immer an die Chance 1000:1 und sie an den Matrosen der irgendwann kommen wird.

M.O.

Jeanne Moreau-Reihe, bis 31.Mai, im fsk-Kino, Wiener Str. 20, Berlin 36, Tel.: 611 70 10. Termine siehe Programmteil.

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