Demo in Frankfurt

■ betr.: "Warten auf Godot", taz vom 14.5.90

betr.: „Warten auf Godot“,

taz vom 14.5.90

Mohr wirft den DemonstrantInnen vor, sich nicht um die Lage des Volkes der DDR zu kümmern. Dies mag vielleicht für die „radikale Linke“ zutreffen. Aber kümmern sich Kohl - oder parteiübergreifend die anderen GroßdeutschlandpraktikerInnen - um deren Belange? Für mich war diese Demo nicht nur Protest gegen die mit dem „Einheits„-Geschwätz verbundene sich mehr und mehr radikalisierende deutschnationale Stimmung; sie war auch ein Nein zur Währungsunion, die im Vorspiel zur Bundestagwahl - bezeichnet als „erste freie Wahl“ in der DDR - der Bevölkerung von Bonner Wahlkämpfern als schneller Schritt zum bundesdeutschen Wohlstand versprochen wurde und auch so verstanden wird, die aber de facto dazu führt, daß nach und nach ein Großteil der Kombinate Konkurs anmelden muß und andererseits nicht genügend Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden. Denn BRD -Konzerne sehen die DDR zwar als vom Bundeshaushalt subventionierten Absatzmarkt, große Investitionen werden aber - trotz großmundiger Kooperationsabsichtserklärungen Anfang des Jahres - nicht unternommen; das hat selbst das liberalnationale Kämpferblättchen 'Spiegel‘ erkannt. Vier Millionen Arbeitslose werden in der DDR für dieses Jahr nicht mehr ausgeschlossen. Wer hilft diesen Menschen dann? Kohl etwa?

Wer, wie Mohr, an diesem Spiel: „Wie versprechen wir den DDRlerInnen das Paradies auf Erden - und schaffen das Chaos?“ teilnimmt, braucht später, wenn diese Befürchtungen Realität werden, nicht mit der eigenen Unwissenheit („Das haben wir nicht gewollt!“) argumentieren.

(...) Abgesehen davon ist zu fragen, weshalb in der Öffentlichkeit - auch der kritischen - kaum noch über die Forderung diskutiert wird, der DDR einen Reparationsausgleich dafür zu zahlen, daß sie dem Hauptopfer des zweiten deutschen Weltfeldzuges, der Sowjetunion, Entschädigungen zu zahlen hatte. Zu zahlen hätten hier auch Kriegsgewinnler wie Daimler, Bayer und so weiter. So wäre die Bettelei der DDR-Regierung beendet, dieses entwürdigende Kuschen vor dem Kohlschen Staatssäckel. Warum fällt Mohr hierzu nichts ein?

Eine Frechheit ist es allerdings, über die geringe Zahl der Protestierenden - immerhin mindestens 7.000 - zu lästern. Es ist nun mal nicht opportun in Deutschland gegen Mehrheitsmeinungen zu demonstrieren, zumal die Vorgehensweise der Polizei alle vor dem 12. Mai geäußerten Befürchtungen bestätigte.

Marcus Schwarzbach, Immenhausen