: De Klerk in Bonn - und wo ist Mandela?
Während der südafrikanische Staatspräsident de Klerk gestern in Bonn mit allen Ehren empfangen und die burische Seele zu Hause in Verzückung geriet, beendete Nelson Mandela seine zweiwöchige Afrika-Reise ohne großes Interesse der Öffentlichkeit ■ Aus Johannesburg Hans Brandt
Europa redet von de Klerk. Aber wo ist Nelson Mandela? Die Antwort: Auch auf Reisen, und zwar in Afrika. Auf der letzten Station seiner Dankes-Tour durch Afrika bot er gestern der südafrikanischen Regierung einen Waffenstillstand an, wenn die Regierung konkrete Schritte zur Abschaffung der Apartheid ergreifen sollte. Aber er warnte, daß er bisher noch keine derartigen Schritte erkannt habe. „Vor 27 Jahren konnte ich nicht wählen, 27 Jahre später kann ich noch immer nicht wählen.“ Die zweiwöchige Afrikareise war als Kontrast zu der Europatour von Südafrikas Präsident Frederik de Klerk geplant. Doch Mandelas Auftritte in Nigeria, Algerien, Libyien, Ägypten und Simbabwe wurden von der Presse fast ignoriert. Nicht so de Klerk auf seiner Goodwill-Tour. Der rote Teppich für de Klerk nun auch in Bonn, der offizielle Empfang mit Militärkapelle und regierungsamtlicher Begrüßung, die Unterbringung im Gästehaus der Bundesregierung - de Klerk ist willkommen in der Bundesrepublik. Aber das ist für den südafrikanischen Präsidenten nach zwei Wochen Europa fast schon zur Routine geworden. Kein Wunder, daß diese Reise in Südafrika als Siegeszug gefeiert wird: zurück im Schoß der internationalen Gemeinschaft.
Tatsächlich wird de Klerk mit offeneren Armen in Europa empfangen, als jeder andere südafrikanische Regierungsführer seit mehr als 40 Jahren. Statt sich wie seine Vorgänger auf „Privatreisen“ nach Europa zu schleichen, wurde er vom portugiesischen Staatschef sogar persönlich am Flughafen begrüßt. Margaret Thatcher verlautete, sie habe „äußerst freundliche“ Gespräche mit ihm geführt, er antwortete, sie sei „eine ganz spezielle Freundin“. Die psychologische Komponente ist dabei von großer Bedeutung. Weiße Südafrikaner sind in den letzten Jahren durch Sanktionen, Sport- und Kulturboykotte und ständige Kaskaden der Kritik in aller Welt in die Defensive gedrängt worden. Zurückgeworfen in die burische Wagenburg haben sie der Welt getrotzt, sich aber im Stillen immer nach dem Lob der internationalen Gemeinschaft gesehnt. De Klerk hat ihnen das nun geliefert.
Aber ganz trauen kritische Beobachter der neuen Atmosphäre noch nicht. „Nach Jahren der Isolierung könnten Südafrikaner leicht zu euphorisch werden über den ausgezeichneten Empfang, der dem Präsidenten in Europa zuteil geworden ist“, kommtentierte gestern die burische Tageszeitung 'Beeld‘ in Johannesburg. Aber dennoch spricht auch diese Zeitung von „atemberaubenden Aussichten“: „Südafrika als vollwertiges Mitglied der Weltgemeinschaft, Südafrika mit blühender Wirtschaft, Südafrika als Katalysator für politische und wirtschaftliche Veränderung in Afrika, Südafrika als Beispiel für andere Länder der Dritten Welt.“ Der Traum von der wirtschaftlichen Blüte Südafrikas ist dabei sicher zentral. Zwar hat de Klerk - und auch dies ist nur eine Umkehrung der Wagenburg-Mentalität in die Offensive - auf seiner Reise immer wieder betont, daß er nicht „mit dem Hut in der Hand“ nach Europa komme. Er tritt daher auch nicht als Bettler, der für die Aufhebung von Sanktionen plädiert, auf, sondern ist seinem eigenen Selbtverständnis nach als Vertreter des neubelebten Südafrikas gekommen, der die Reformansätze der letzten Wochen offensiv verkaufen will. Aber der Erfolg der Reise wird letztendlich auch von der Regierung daran gemessen, wie weit wirtschaftliche Erleichterungen unterm Strich herauskommen.
Thatcher ist ihren EG-Kollegen immer schon einige Schritte vorausgeprescht. Am Wochenende betonte sie, daß Südafrika wieder Kredite für die Entwicklung einer neuen, Apartheid -freien Gesellschaft erhalten sollte. Solche Kredite sind von besonderer Bedeutung - aus Kreisen der deKlerk -Delegation ist bekannt, daß der Zugang zu internationalen Kreditmärkten für die Regierung wichtiger ist als die Aufhebung von Handelssanktionen. Vor diesem Hintergrund sind für de Klerk zweifellos Gespräche mit Wirtschaftsvertretern
-wie das Dinner gestern abend bei der Deutschen Bank in Frankfurt - von ebenso großer Bedeutung wie die offiziellen Regierungsgespräche in Bonn oder London.
Doch während die EG im Zuge der deKlerk-Reise über den Abbau von Sanktionen nachzudenken beginnt, warnt Mandela vor jeder Milderung von externen Druckmitteln. Als Stichdatum gilt der EG-Gipfel am 25. Juni in Dublin. Bis dann könnte allerdings das Wohlwollen über den charmanten Präsidenten in Südafrika abgeklungen sein und die kritische Öffentlichkeit wieder mehr Augenmerk auf die täglichen Berichte über Opfer von rassistischen Übergriffen - wie etwa gestern wieder vier Menschen in der Bergarbeiterstadt Welkom - richten. Und außerdem wird Nelson Mandela noch vor dem EG-Gipfel nach Europa kommen. Am 12. Juni wird der rote Teppich für den ANC -Führer ausgerollt werden. Es ist der Tag, an dem die südafrikanische Regierung den Ausnahmezustand alljährlich zu verhängen pflegt. An jenem Tag wird auf die protokollarischen Details zu achten sein.
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