Bündnis 90 bleibt in Berlin Opposition

■ Während die Bürgerbewegung in einigen Städten auch mit der CDU koaliert bleibt die PDS überall außen vor

Die Bildung der Stadtregierungen im Anschluß an die Kommunalwahlen geht in fast allen Städten ihrem Ende entgegen. So unterschiedlich die Ergebnisse teilweise waren, eins ist überall gleich: Egal, wieviel Stimmen die Nachfolger der SED holen konnten, sie bleiben überall isoliert. Die Bürgerbewegung müssen sich dagegen entscheiden, ob sie in Koalitionen auch die Blockpartei CDU schlucken oder lieber mit der PDS auf die Oppositionsbank gehen.

„Am Freitag wird der Bär geschlachtet und verteilt“, versprach der künftige SPD-Oberbürgermeister von Ost-Berlin, Tino Schwierzina, Anfang der Woche. Tatsächlich fand das Schlachtfest bereits am Montag statt, als nach Abschluß der Koalitionsverhadnlungen klar war, daß der Bär die Farben scharz-rot tragen wird.Trotz einiger interner Debatten blieb das Bündnis 90 letztlich bei seiner Wahlaussage, nicht gemeinsam mit der ehemaligen Blockpartei CDU die Regierungsbank drücken zu wollen. Berlin steht somit vor einer kuriosen Situation: Drei Viertel der Bewohner haben links gewählt, dennoch wird die Stadt nicht von links, sondern von der CDU mitregiert werden. Die Inititiatoren des Umbruchs, die Bürgerbewegungen, werden in der Haupstadt außen vor bleiben.

Aus der Kommunalwahl am 6.Mai war in der Hauptstadt die SPD mit 34 Prozent der Stimmen als stärkste Partei hervorgegangen, dicht gefolgt von der PDS mit 30 Prozent. Die SED-Nachfolgerin war damit die eigentliche Wahlsiegerin, zeigte sich doch, daß sie ihre Wählerschaft noch immer am besten mobilisieren und auf einen verläßlichen Wählerstamm im Kreis der Staats- und Verwaltungsapparates bauen konnte. Die CDU landete weit abgeschlagen bei knapp 18 Prozent, vergleichsweise gut schnitten dagegen die Bürgerbewegungen ab: Das Bündnis 90 kam auf knapp zehn Prozent, die Grüne Liste auf fast drei. Nach einem insgesamt eher müden Kommunalwahlkampf begannnen noch in der Wahlnacht fieberhafte Rechenspiele über künftige Koalitionen im Magistrat. Die SPD hatte in zweifacher Weise ihr Wahlziel nicht erreicht: Es reichte weder für einen Alleingang noch für ein rot-grünes Bündnis nach Westberliner Vorbild, wo seit März 1989 ein Senat aus SPD und Alternativer Liste im Amt ist.

Seit über vierzehn Tagen führen die Sozialdemokraten und ihr Spitzenkandidat Schwierzina Verhandlungen mit der CDU und dem Bündnis; einen Minderheitsmagistrat unter Ausschluß der CDU einzugehen, war den Sozis schnell zu heiß. Die Berührungsängste zur PDS sitzen tief, noch tiefer die Angst, bei Einzelentscheidungen von deren Stimmen in der Stadtverordnetenversammlung abhängig zu sein. Nach ersten Sondierungsgesprächen mit mehreren Parteien war die Verhandlungslinie der Sozialdemokraten klar: Sie setzten, nicht unbeeinflußt von den Genossen im Westteil der Stadt, auf „stabile Verhältnisse“, auf schwarz-rot-grün, obwohl ein Verhandlunspartner von vornherein klargemacht hatte, mit dem anderen nicht zu können. VertreterInnen des Bündnisses wie Bärbel Bohley und Ingrid Köppe ließen keinen Zweifel daran, daß sie moralisch ein Zusammengehen mit der CDU nicht vertreten könnten und drängten die Sozis zu einem Minderheitsmagistrat.

Problematisch sind beide Haltungen: Die SPD hatte vor der Kommualwahl noch auf Landesebene gegen eine Koalition mit der CDU gewettert, setzt jetzt aber auf Nummer Sicher; die CDU ist für sie in Berlin zum Nulltarif zu haben, denn die ehemaligen Blockflöten sind so versessen darauf, mitregieren zu dürfen, daß sie nahezu zu jedem Zugeständnis bereit sind. Das Bündnis wiederum, das sich beispielsweise in Potsdam dort war die Wahl ähnlich ausgegangen wie in Berlin - für eine schwarz-rot-grüne Koalition entschieden hat, kann zwar moralisch ehrenwerte Gründe geltend machen, verspielt aber auf politischer Ebene die Chance, basisdemokratische Elemente in der Stadtpolitik zu verankern. Auch beim bevorstehenden Vereinigungsprozeß beider Stadthälften wird die Westberliner AL die Regierungsunterstützung durch das Bündnis 90 nun vermissen müssen.

Die Sozis waren in den meisten Punkten zu weitgehenden Zugeständnissen bereit. Sie verhandelten in jeweils vierzehn Arbeitsgruppen mit beiden Parteien, die Ergebnisse wurden am Montag veröffentlicht. Übereinstimmungen mit dem Bündnis wurden bei der Überführung des Volkseigentums in kommunales oder genossenschaftliches Eigentum erzielt, ebenso beim Verfahren für eine künftige Verfassung und dem Status von Berlin. Kontrovers waren die Standpunkte zum Olympiastandort Berlin, zum Verfassungsschutz und zur Struktur der Stadtbezirke: Die SPD will, um die PDS außen vor zu halten, politische Bezirksämter einführen, in denen Koalitionen möglich sind. Das Bündnis ist gegen dieses Modell und möchte Bezirksämter nach Westberliner Vorbild, wo die stärkste Fraktion jeweils den Bürgermeister stellt und die Stadtratsposten nach Proporz vergeben werden.

Die SPD hofft immer noch auf einen Gesinnungswandel beim Bündnis und hat auch schon scharfe Töne angeschlagen: Auf der Oppositionsbank mache es sich zum Handlanger der PDS und verhindere eine Zerschlagung der alten stalinistischen Strukturen, so Landesvorstandsmitglied Herbst gegenüber Bärbel Bohley. Diese blieb am Montag bei ihrer ablehnenden Haltung: „Ich habe nichts zu sagen, Berlin wird schwarz -rot.“ Vielleicht aber auch schwarz-rot-gelb, denn die SPD liebäugelt seit dieser Woche auch mit einer Beteiligung der Liberalen.

Kordula Doerfler