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Diestel fiel über die Stasi

■ DSU fordert Ostberliner Innenminister zum Rücktritt auf / Harsche Kritik wegen Einstellung von Stasi-Mitarbeitern

Berlin (dpa) - Rund fünf Wochen nach seinem Amtsantritt steht DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel (DSU) vor seinem Rücktritt. Die Fraktion der Deutschen Sozialen Union (DSU) in der Volkskammer entzog dem ehemaligen DSU -Generalsekretär das Vertrauen und forderte ihn gestern zum Rücktritt auf.

Wie zu erfahren war, stimmten 15 Abgeordnete für den Rücktritt ihres Fraktionsmitgliedes als Minister, vier Parlamentarier votierten für ihn oder enthielten sich der Stimme. Die DSU, die mit CDU, Demokratischem Aufbruch, SPD und Liberalen eine Koalition bildet, verfügt im Parlament über 25 Sitze. Der DSU-Politiker, der auch stellvertretender Ministerpräsident ist, war in die Schußlinie geraten, nachdem er bekanntgegeben hatte, daß innerhalb des Innenministeriums weiterhin 2.350 ehemalige Angehörige des aufgelösten Staatssicherheitsdienstes beschäftigt sind. Außerdem wurde er von Politikern in der BRD und in der DDR scharf kritisiert, weil er den ehemaligen DDR-Spionage-Chef Markus Wolf um Mithilfe bei der endgültigen Zerschlagung des Stasi bitten wollte.

Der SPD-Parteirat der DDR hatte am Wochenende verlangt, das Verhalten Diestels in der Volkskammer zur Sprache zu bringen. Die Volkskammerfraktion sollte prüfen, ob dem Innenminister das Mißtrauen ausgesprochen werden könne. Es entstehe der Eindruck, hieß es, als wolle „Herr Diestel nicht die kriminellen Aktivitäten des früheren Staatssicherheitsdienstes und des SED-Parteiapparates aufdecken, sondern sie vertuschen“.

Der 38 Jahre alte Jurist war seit Gründung der DSU, der Schwesterpartei der bayerischen CSU, im Januar 1990 bis zu seiner Berufung zum Innenminister als Generalsekretär tätig. Das Innenressort, dem der gesamte, nicht unumstrittene Polizeiapparat untersteht, war ihm im Zuge der Koalitionsverhandlungen angetragen worden. Da sich die SPD zunächst grundsätzlich weigerte, eine Koalition mit der konservativen DSU einzugehen, wollte sie schließlich verhindern, daß DSU-Chef Hans-Wilhelm Ebeling diesen Posten erhält. Diestel kam dann als Kompromißkandidat zum Zuge.

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