: „Opus Dei“: Das Laufwerk Gottes
■ Der umstrittene Geheimorden ist zu Gast auf dem Katholikentag / Antikommunismus weltweit / Anwerbung von Jugendlichen umstritten
Wilmersdorf. „Opus Dei“, weder ein Meisterwerk der klassischen Musik noch christlicher Wohlfahrtsverband, sondern ein katholischer Geheimorden hat auch auf dem 90. Katholikentag seinen Platz. Die Organisation, die mit über 74.000 Mitgliedern weltweit Wirtschaft und Politik mitbestimmt, berät täglich in der Wilmersdorfer St.-Albertus -Magnus-Gemeinde über „den Einsatz von Computern in der Pastoral“, also in der Seelsorge. Über die Hintergründe des „Laufwerks“ Gottes wurde auf einer Veranstaltung des Bündnisses gegen den Katholikentag „Es rettet uns kein höh'res Wesen“ informiert.
Über die Tätigkeiten des versteckten Imperiums ist wenig bekannt. Offiziell dient „Opus Dei“ der „Verwirklichung eines konsequent christlichen Lebens unter Menschen aller Berufe und sozialen Schichten“. Doch selbst Radio Vatikan spricht von „großem Einfluß im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich in manchen Ländern“ - und das paßt gar nicht mit der bescheidenen Selbstdarstellung des Gotteswerks zusammen. Vor zehn Jahren erfuhr die Öffentlichkeit von einer kircheninternen „Opus Dei„-Bilanz, nicht nur Kenner klerikaler Kreise erschraken: Auf allen Kontinenten hatte „Opus Dei“ Mitglieder in führenden Positionen. Bei 604 Zeitungen, 479 Universitäten, 52 Radio und Fernsehstationen und 38 Nachrichten- und Werbeagenturen.
Die Erfolgsstory der religiösen Untergrundorganisation beginnt 1928 in Madrid. Der angehende Priester und Rechtsanwalt Josemaria Escriva (1902-1975) gründet, einer Eingebung gehorchend, „Opus Dei“. Leitfaden für die Mitglieder wird sein Buch El Camino (Der Weg) - 999 Verhaltensregeln fürs ganze Leben. Escriva sieht sich selbst als „Ritter der Neuzeit, der die wahren Gläubigen in den Kampf gegen die gottlosen Kommunisten führt“. Im Zweiten Weltkrieg melden sich die spanischen „Opus Dei„- Mitglieder freiwillig und kämpfen für Nazi-Deutschland gegen die Bolschewiki. Später gewinnt der Orden unter der Diktatur Francos Kontrolle über einen großen Teil der spanischen Industrie und stellt mehrere Minister. Auch soll „Opus Dei“ mit im Spiel gewesen sein, als Chiles sozialistischer Präsident Allende 1973 von Militär und CIA ermordet wird.
Papst Johannes Paul II. hat dem Orden zu noch mehr Macht verholfen. „Opus Dei“ wurde von ihm beauftragt, Kontakt zu den Glaubensbrüdern im Ostblock zu halten. Engagierte Priester in Lateinamerika ersetzt er durch Angehörige des erzkonservativen Ordens.
Kritisiert werden auch die Praktiken, mit denen „Opus Dei“ Jugendliche als Mitglieder gewinnen soll. Die Methoden sollen sich nicht von denen anderer skandalträchtiger Sekten unterscheiden.
Jörg O. Riss
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