piwik no script img

Europaparlament übergangen

Das Europaparlament kann seit neuestem eine Nichtigkeitsklage gegen Rechtsakte anderer EG-Institutionen erheben. Voraussetzung ist, so entschied jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH), daß sich das Parlament in seiner Befugnis übergangen fühlt. Bislang stand dieses Recht nur dem Ministerrat, der EG-Kommission und den Mitgliedsregierungen zu.

Die Parlamentarier hatten den Ministerrat verklagt, weil er ihrer Meinung nach die Befugnisse der Abgeordneten bei der Festlegung radioaktiver Höchstwerte für die Einfuhr von Nahrungs- und Futtermitteln nach Tschernobyl mißachtet hatte. Mit der Entscheidung der Richter ist jetzt der Klageweg eröffnet worden. Ob die Verordnung des Rates über die radioaktiven Höchstwerte nichtig ist, dazu muß der Europäische Gerichtshof in einem weiteren Urteil Stellung beziehen. Revolutionäres ist nicht zu erwarten. Schließlich werden die 25 Richter von den Mitgliedsregierungen ernannt. Die sonst in westeuropäischen Staaten übliche Gewaltenteilung ist also nicht nur zwischen Exekutive und Legislative, sondern auch für die Judikative aufgehoben. Nicht vom Volke, sondern vom Ministerrat geht in der EG alle Macht aus.

M. Bullard

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen