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Der Zweck heiligt die Mittel

■ Benefiz-Konzert für Bitterfeld brachte 30.000 Mark ein

Ein Mammutprogramm hatte die Grüne Liga für ein Umwelt -Konzert am vergangenen Sonnabend versprochen und dabei mit Namen wie Rio Reiser und Heinz-Rudolf Kunze hoch gepokert. Über 8.000 Zuschauer drängten sich erwartungsvoll vor der Freilichtbühne am Leipziger Auensee. „Halte durch!“, der Überlebensappell des Liedermachers Gerhard Gundermann an unseren Planeten, war Motto des Benefiz-Konzertes. Dessen Erlös - mindestens 30.000 Mark - wird Bitterfelder Kindern als Leidtragende einer zerstörten Umwelt Erholungsferien finanzieren.

Trotz Absage von Kunze und Reiser blieb eine respektable Mischung mit Ex-Ostlern wie Holger Biege, Veronika Fischer und mehr oder weniger DDR-SängerInnenblut, Herzbuben, die Zöllner, Rockhaus, „übrig“. Aber spätestens als „Vroni“ Fischer schlagersingend ihrem Programmteil noch eins und noch eins draufsetzte, war die Verzögerungstaktik durchschaut. Man pfiff auf die gräserkauende Blondine samt ihrer Liegewiese.

Mit angloamerikanischem Temperament fing eine Reggae-Band die Stimmung wieder auf. Den Künstlern gebührt der Benefiz -Bonus, doch das Publikum will seine Stars. Wer weiß, wen die „Worte der Erläuterung und Mahnung“, die zu Beginn des Konzerts ein Bitterfelder Arzt zum unruhig wartenden Publikum sprach, wirklich erreicht haben.

Medizinisch genau belegte er, was die verdreckte Luft im Industrie-Ballungsgebiet den Kindern antut: Konzentrationsschwäche, kleinere Körperhöhe und Brustumfang als Kinder anderen Orts, verzögerte Knochenreife, verringerte Lungenfunktion, gereizte Augenbindehäute, geschwollene Mandeln - angegriffenes Immunsystem, Hautekzeme. Vier Wochen Erholung in „reiner Luft“ würden reichen, um für neun Monate die geschwächten Organismen zu stabilisieren. Der Mediziner hofft, „daß das Bewußtsein, die Intelligenz und die Kraft der Menschen ausreichen, die Umweltprobleme zu lösen, damit das Geld nicht allein zur Schadensbegrenzung, sondern zur Schadensverhinderung eingesetzt werden kann. So gesehen ist die Idee, Bitterfelder Kindern Ferien zu finanzieren, mehr als nur eine wohltätige Geste. Es ist Beginn und Teil einer Überlebensstrategie für eine ganze Region.

Irina Grabowski

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