: Die Unheilige Allianz von Christus und Fiskus
■ Kirchentag von unten: Vielen Gläubigen stinkt der Zwangseinzug der Kirchensteuer durch den Staat / Sie wollen freiwillig zahlen - und vor allem kontrollieren und mitbestimmen, was mit dem Geld geschieht / Doch bislang droht dann die Exkommunikation...
West-Berlin. Acht Pfennig von jeder Mark eines Katholiken gehen an die Kirche. Sie werden ihm automatisch mit der Einkommenssteuer abgezogen und in den Klingelbeutel seines Bistums gelegt. Ist ihm diese Art der Kirchenfinanzierung zuwider, bleibt ihm nur Austritt - und damit Exkommunikation. ChristInnen, denen diese Verbindung von staatlicher Zwangseinziehung der Steuern mit der Finanzierung der Kirchen ein Dorn im Auge ist, fanden sich am Samstag beim Katholikentag von unten zusammen. Unter dem Motto „Mit Kirchensteuern die Kirchen steuern“ berieten sie über Auswege aus dieser „unheiligen Allianz“ von Christus und Fiskus.
Knut Walf, Kirchenrechtler aus Nimwegen erklärte, die Kirchensteuer sei ein Relikt aus den Zeiten des Staatskirchentums und gehöre abgeschafft. Der bundesdeutsche Staat habe 1988 für die katholische und evangelische Kirche insgesamt 13 Milliarden Mark eingezogen. Die Bistümer finanzieren 90 Prozent ihres Haushaltes über die Kirchensteuer, sagte Walf. Allein der Etat der Erzdiözese Köln überschreite mit 780 Millionen Mark das Budget mancher afrikanischer Staaten.
Walf wandte sich gegen Argumente, daß die Kirchensteuer erst die vielen sozialen Aufgaben der Kirche ermögliche und sie unabhängig mache von großen Geldgebern. „In den Etats der Bistümer nehmen die sozialen Kosten zehn bis zwanzig Prozent ein“, sagte der Kirchenrechtler. Viel mehr Geld werde für Personalkosten und Bauvorhaben ausgegeben. Walf rief dazu auf, nicht mehr die „römische Kurie zu bezuschussen, die bewiesen hat, daß sie ebensowenig mit Geld umgehen kann wie andere unkontrollierbare Institutionen“.
Auch in der DDR gibt es eine Kirchensteuer, aber sie hat keinen Zwangscharakter, sagte der Theologe Joachim Garstecki aus der DDR. „Den Löwenanteil der Kirchenfinanzierung machen die Spenden der Schwesterkirchen aus der BRD aus“, sagte Garstecki, „nur so konnten wir so lange über unsere finanziellen Verhältnisse leben“. Wenn diese Unterstützung wegfalle, würden schon im Herbst einige evangelische Landeskirchen in der DDR in Konkurs gehen. Deshalb überwiege auch hier eher „pragmatisches Überlebensdenken“.
Auf anderer Leute Kosten beten wollen die Kirchensteuergegner jedoch nicht. Viele sind bereit, ihr Scherflein für ihre Gemeinde beizutragen. Verschwinden müsse allerdings die Zwangskopplung, daß aus der Kirche austreten müsse, wer seine Steuern nicht zahlen wolle, hieß es in „Sieben Thesen zur Kirchensteuer“. Ein Beitragssystem auf freiwilliger Basis - wie in Italien - wird angestrebt. Kurzfristig müsse den einzelnen Gemeinden und vor allem den Laien mehr Recht und Kontrolle eingeräumt werden. Eine Änderung der Gesetze sei unrealistisch, hieß es, weil keine der Parteien im Bundestag am Status quo rütteln wollte. Angeregt wurde die Gründung eines Kirchensteuervereins, dessen Mitglieder als „gute Christen“ in der Kirche bleiben, aber aus der Steuergemeinschaft Kirche austreten sollten. Letzte Hoffnung der Steuergegner ist die angestrebte Rechtsangleichung der EG-Staaten.
Bernhard Pötter
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