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„Wie hältst du es mit den Sozis?“

■ Gregor Gysi und Ernest Mandel on stage

Berlin (taz) - Jahrzehntelang als „Verräter am Sozialismus“ an den Grenzen der DDR abgewiesen, steht Ernest Mandel nun offenbar kurz vor der Heiligsprechung: Zumindest begrüßte eine Frau aus dem Berliner Publikum ihn mit „Ernesto“. Gregor Gysi himself entschuldigte sich am Freitagabend bei dem „exzellenten Theoretiker“ für den Bannstrahl der SED. Die beiden waren angetreten, um über den „Bankrott des Stalinismus“ zu disputieren.

Daß es dazu kaum kam, lag an Gysi. Er holte den seit anno tobak unbeirrt Krise und Revolution ankündigenden Mandel immer wieder auf den Boden der untergehenden DDR. Ein bemerkenswerter Dissens ergab sich im Verhältnis der beiden Sozialisten zur Sozialdemokratie. Mandel ist den Radieschen spinnefeind, wegen ihrer „dreimaligen historischen Verantwortung“: Zustimmung zu den Kriegskrediten 1914, Erwürgen der deutschen Revolution 1918/19. Indem die Sozialdemokratie die „Verbindung von deutscher und russischer Revolution verhindert“ habe, sei sie „verantwortlich für den Stalinismus“. Angesichts dieses historischen Abenteurertums sah sich Gysi genötigt zu widersprechen. Niemand wisse, „wie die russische Revolution verlaufen wäre, wenn..., man darf die KPdSU von ihrer Verantwortung entlasten, und übrigens haben alle Strömungen der Arbeiterbewegung ein hohes Maß an Fehlern gemacht“. Die PDS billige der Sozialdemokratie historische Leistungen zu, das schlimme sei nur, daß sie nie gesagt habe „es reicht nicht, den Kapitalismus so demokratisch, ökologisch und sozial wie möglich zu machen“. An diesem Punkt profiliert sich die PDS heftig gegenüber der SPD. „Wir wollen“, so Gysi, „kleine und große Reformen“. Große Reformen seien die „mit revolutionärem Anspruch“ - was immer das sein mag. Aber Gysi hatte sich eingangs für mangelnde theoretische Ambitionen entschuldigt. Er ist kein Bücherwurm wie das Führungsmitglied der IV.Internationale, sondern „von irgendwo irgendwie in die Funktion gekommen“. Dem Pragmatiker liegt es näher, vorläufig „innerkapitalistisch an die Änderung des Steuerrechts zu denken“. Schließlich wolle er sich „nicht beleidigt aus dem Leben ausklinken, nur weil die nächsten 50 Jahre Kapitalismus herrschen könnte“. Das roch für viele der 300 ZuhörerInnen verdächtig nach Sozialdemokratie. Nur mäßig konnten die aktuellen Differenzen zu den Sozis in puncto Staatsvertrag und Nato -Deutschland beruhigen. Immer wieder Balsam für die geschundene linke (PDS-) Seele hingegen bildet die Kritik an der ungehemmten SPD-Kooperation mit den Blockparteien des SED-Regimes. Die Welt ist eben schlecht, und auf die „Revolution muß man geduldig warten, solange die Arbeiterklasse nicht dazu bereit ist“, dozierte Mandel.

Petra Bornhöft

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