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Neue Visumpflicht - Mauer gegen Polen

Visumpflicht für Einreise von Osteuropäern nach West-Berlin offenbar beschlossene Sache / Alternative Liste wittert „Mief des Nationalismus“ / Alliierte Anordnung garantiert bislang visumfreien Zugang in die „offene Stadt“ / „Aldi“ reglementiert polnische Kunden  ■  Aus Berlin Andrea Böhm

Keine neuen Mauern, „weder an der Elbe, noch an Oder und Neiße“ - die beschwörenden Worte des Bundespräsidenten von Weizsäcker auf dem Katholikentag in West-Berlin wurden, kaum waren sie gesprochen, schon konterkariert. Denn nach Informationen der Tageszeitung 'Berliner Morgenpost‘ soll zum 1. Juli wahrgemacht werden, was der rot-grüne Senat seit Wochen anstrebt: die Einführung der Visumpflicht für Bürger aus osteuropäischen Ländern bei der Einreise nach West -Berlin. Entsprechend hätten sich nach Angaben der Zeitung Bundesregierung, Westberliner Senat und die Alliierten geeinigt. Rücksprache mit dem Koalitionspartner ist nach Angaben der Alternativen Liste nie erfolgt. Die AL sieht nun den „Mief des Nationalismus in die Metropole Berlin“ einziehen. Die Tür für die Polen, so der ausländerpolitische Sprecher der AL, Hartwig Berger, werde zugeschlagen. Die Maßnahme zielt vor allem gegen Polen und Polinnen, die seit der Einführung der Reisefreiheit zu Familienbesuchen, zum Einkaufen, Schwarzarbeiten oder Handeln nach West-Berlin kommen.

Noch ist es polnischen BürgerInnen wie auch Angehörigen anderer osteuropäischer Länder möglich, aufgrund einer alliierten Anordnung aus dem Jahre 1967 ohne Visum nach West -Berlin einzureisen - vorausgesetzt, sie bleiben nicht länger als 31 Tage. Noch im April 1989 hatte Dieter Schröder, Chef der Westberliner Senatskanzlei, solche Maßnahmen zurückgewiesen. Berlin als „offene Stadt“ dürfe die alliierte Anweisung nicht ändern. Dieser Vorsatz geriet allerdings bald ins Wanken, nachdem die Bundesregierung im April 1989 die Einreise von polnischen Touristen in die Bundesrepublik erschwerte. Polnische Touristen müssen seitdem nicht nur Visum, sondern für jeden Aufenthaltstag in der BRD auch 50 Mark vorweisen. West-Berlin wurde dadurch als Reiseziel - ob zum Einkaufen, Arbeiten oder Schwarzhandeln - noch beliebter. Die Devisenhürde soll nach den Informationen der 'Morgenpost‘ jedoch ab 1. Juni wieder entfallen.

Bereits Anfang April diesen Jahres war der Westberliner Senat mit einem entsprechenden Vorschlag unter dem Etikett „Einreiseunion“ in Bonn vorstellig geworden. Die alliierte Anordnung müsse abgeschafft, die Visumpflicht auch für West -Berlin eingeführt werden - allerdings solle gleichzeitig auch der Devisennachweis entfallen. Die Alternative Liste kritisierte den Plan als „Ausgrenzungsunion“. Vor dem Hintergrund der verschärften Abschottungspolitik der EG mit einem vereinigten Deutschland befürchtet der polnische Sozialrat, ein sozial- und kulturpolitischer Zusammenschluß polnischer und deutscher Berliner, für die Zukunft an der „Oder-Neiße-Grenze Zustände wie am Rio Grande“. Dort bemüht sich seit Jahren die hochtechnisierte US-Grenzpolizei, illegale Einwanderer am Betreten der USA zu hindern.

Offensichtlich um die deutsche Kundschaft zu beruhigen, hat indessen die Aldi-Supermarktkette zu typisch planwirtschaftlichen Maßnahmen gegen polnische KundInnen gegriffen. Sie dürfen in den Westberliner Filialen nur noch je zwei Kartons einer Ware kaufen. Vor den Geschäften bilden sich tagtäglich Schlangen, wie weiland vor Banken und Sparkassen, als noch Begrüßungsgeld ausgezahlt wurde. Nach Auskunft eines Filialleiters gehe es nicht darum, die PolInnen am Einkaufen zu hindern, sondern den „Warentourismus“ einzudämmen.

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