: Aldi begrenzt Großeinkäufe
■ Maximal zwei Originalpakete für PolInnen / Die Schlangen werden dadurch eher noch länger / Regelung nicht überall eingehalten / Bezirksstadtrat wirbt für Rücksichtsnahme
West-Berlin. „Die Firma Aldi ist ein Einzelhandelsbetrieb. Großeinkäufe, wie sie in letzter Zeit in nicht tragbarem Rahmen vorgenommen werden, können wir nicht mehr billigen.“ So lauten neuerdings Schilder an vielen Aldi-Läden: Damit will der Konzern die Großeinkäufe von PolInnen und den Handel mit Aldi-Waren im Ostblock verhindern. Maximal zwei Originalpakete dürfen an PolInnen abgegeben werden, so die Anweisung der Konzernzentrale in Essen.
Doch die Regelung wird nicht überall eingehalten: „Wenn ich denen jetzt verbieten würde, vier statt zwei Pakete Bier zu kaufen, dann stellen die sich zweimal an“, so eine Aldi -Geschäftsführerin an der Kantstraße. Und die Deutschen würden ohnehin von den PolInnen vorgelassen. „Mit welchem Recht sollte ich das machen - es sind Menschen wie wir alle“, und zur Unterstreichung der entspannten Atmosphäre verabschiedet sich ein Pole mit Handkuß.
Im Aldi an der Sonnenallee 90 wird die Regelung eingehalten: „Die Stammkunden sollen auch was abkriegen, sonst sind um 11 Uhr einige Waren ausvergekauft.“ Aber unterm Strich bringt's nichts: Vereinzelt hätten PolInnen schon deutschen Kindern angeboten, für zwei Mark für sie einzukaufen, so eine Verkäuferin. Heftig sei teilweise die Reaktion der PolInnen, wenn sie die Waren wieder aus dem Einkaufswagen nehme - „aber wir sind auch stark“.
„Das wäre schrecklich, unmenschlich“, meint eine in der Schlange stehende Polin auf der Kantstraße, die von der Regelung noch nichts gehört hat. „Es ist doch ein demokratisches Land hier.“ Sie ist zum erstenmal in West -Berlin und steht bereits zwei Stunden in der Schlange. Eine andere Polin wäre mit der Regelung einverstanden, wenn sie für alle AusländerInnen gelte - „aber nur Polen? - das ist doch Diskriminierung“. Eine Anwohnerin der Kantstraße hält von der Regelung wenig: „Mir ist zwar das Problem bewußt, aber vom Menschlichen her ist das nicht okay.“ Eine ältere Frau aus Potsdam: „Es ist fast so wie bei uns mit den Rumänen, aber wir müssen da durch.“ Eine Westberlinerin schnauft: „Die klauen doch alle“ und zieht weiter.
Der Charlottenburger Bezirksstadtrat Helmut Heinrich verteilte derweilen Flugblätter, in denen er die PolInnen zu mehr Rücksichtsnahme gegenüber den AnwohnerInnen auffordert: „Wo viele Menschen zusammenkommen, wachsen Belastungen. Viele sind vermeidbar.“ So könnte Verpackungsmaterial gleich beim Händler gelassen werden und Hinweisschilder würden zur nächsten Toilette weisen. Von der neuen Aldi-Regelung hält Heinrichs wenig: Das führe „nur zu noch längeren Schlangen, weil sich die Leute dann zweimal anstellen“.
Rochus Görgen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen