: Der Wolf hetzt die Meute
■ Anläßlich seines 60. Geburtstages zeigt RTL plus drei Filme von und mit Clint Eastwood
Als 1988 der Film Bird in die Kinos kam, hatte die gar nicht so kleine Gruppe der Gelegenheits-Filmkritiker Anlaß, sich zu wundern. Ausgerechnet der als Hollywoods Haudegen verschriene Clint Eastwood lieferte ein subtiles, meisterhaft in Bilder umgesetztes Porträt des legendären Jazzsaxophonisten Charlie „Bird“ Parker. Das verwirtte, denn ein Action-Star hat sich gefälligst den Schubladen anzupassen, in die ihn seine Kritiker abservieren, nicht umgekehrt.
In Frankreich sah man dies schon um die Jahreswende 1984/85 ganz anders und veranstaltete in der renommierten Pariser Cinematheque unter dem Titel Bienvenue Clint eine 27tägige Hommage a Clint Eastwood. Auch im Münchner Filmmuseum und im New Yorker Museum of Modern Art widmete man dem Schauspieler, Produzenten und Regisseur Eastwood Retrospektiven.
Mit Sergio Leones Dollar-Trilogie in Italien prominent und wohlhabend geworden, kehrte Eastwood 1968 heim in die Vereinigten Staaten und investierte das mitgebrachte Geld in eine eigene Produktionsfirma, um seine weitergehenden Ambitionen in Sachen Film verwirklichen zu können.
Mit dieser Malpaso Co. produzierte er noch im Gründungsjahr eine amerikanische Variante des „Spaghetti-Western“ mit dem Titel Hängt ihn höher. Ebenfalls 1968 drehte er den ersten von fünf Filmen unter der Regie Don Siegels, der in Coogans großer Bluff den Cowboy (sinnbildlich wie real) nach New York schickte. Von da an tummelte sich Eastwood häufiger auch in den Großstadtschluchten, unter anderem als Dirty Harry, ein Film, der wohl den Ruf Eastwoods als reaktionärer Tunichtgut begründete. Erstaunlich ist, daß die Figur des desillusionierten, allein in per manenter Aktion noch Halt fin denden Polizeiinspektors Harry Callahan alle anderen Images des Schauspielers Eastwood, alle Bemühungen um Differenzierung überwucherte.
In einer ganzen Reihe von Filmen brach Eastwood mit dem Klischee des wortkargen Fremden, der den Revolver für sich sprechen läßt. Er spielte neben Lee Marvin in dem Musical Westwärts zieht der Wind. In seinem ersten selbstinszenierten Film Play Misty For Me sah man ihn schon 1971 überraschend in der völlig untypischen Rolle des Moderators einer Jazzsendung (der Filmtitel zitiert Errol Garners Song Misty). Er begegnete in Callahan, dem zweiten Teil der Harry-Serie dem Vorwurf, Selbstjustiz zu verherrlichen. In Filmen wie Tightrope - Der Wolf hetzt die Meute entwarf Eastwood das zwiespältige Bild eines Polizeibeamten, der sich in einigen Charakterzügen nicht von seinem mordenden Gegner unterscheidet.
Wesentlich im OEuvre Eastwoods sind immer wieder Momente der Ironie, die von der plakativen Überzeichnung in Comic -Manier bis zur albernen Selbstparodie, wenn nicht sogar -demontage reichen. Immer aber wahrt der im Hollywoodgetriebe eher als Einzelgänger einzustufende Künstler das Maß: Auch eine astronomisch ho he Gage konnte ihn nicht dazu verleiten, sich in der Neuverfilmung des Superman der Lächerlichkeit preiszugeben.
Zuletzt spielte Eastwood in der fünften Fortsetzung der Dirty Harry-Reihe (Das Todesspiel, 1989) mit Genremustern und eben auch mit den Konstanten dieser Serie: Wenn Harry Callahan, dessen Markenzeichen die schwere 44er Magnum ist, dem verrückten Killer am Ende nicht anders beikommen kann als mit einer gewaltigen Walfangharpune, so muß dieser groteske Regieeinfall schon als spöttischer Kommentar zur Fetischisierung großkalibriger Schußwaffen gewertet werden.
Unterbewertet oder eher noch unbeachtet blieb lange Zeit Eastwoods Rolle als Produzent und Förderer junger Talente. Erst die Entdeckung des Schauspielers Forest Whittaker für den Film Bird wurde entsprechend gewürdigt. Daneben gab Eastwood als Produzent aber auch etlichen jungen RegisseurInnen und DrehbuchautorInnen die Chance, sich im Filmgeschäft zu etablieren. Er selbst bewies seine Fähigkeiten als Regisseur mit Filmen wie dem allegorischen Western Der Texaner, dem „Öko-Western“ Pale Rider, den beiden Musikerporträts Honkytonk Man und Bird. In Cannes stellte Eastwood jetzt sein jüngstes Werk, Weißer Jäger, schwarzes Herz, vor, ein Film über den exzentrischen Regisseur John Huston. Die Rolle seines alter ego übernahm er natürlich selbst.
Am heutigen 31. Mai wird der amerikanische „Vetter“ der europäischen Autorenfilmer, der nach Meinung von US -Filmhistorikern in Europa höher geschätzt wird als in den Vereinigten Staaten, sechzig Jahre alt. RTL zeigt aus diesem Anlaß drei Filme von resp. mit Eastwood. In Im Auftrag des Drachen muß der unerschütterliche Mime heute den Eiger besteigen, wobei er auf die Mitwirkung eines Stuntmans verzichtete. Auch unsere Heidi Brühl hat übrigens eine Rolle in dem Agententhriller abbekommen. Morgen abend steht Ein Fremder ohne Namen auf dem Programm, Eastwoods sehenswerte, weil nicht unironische Hommage an Sergio Leone, und gleich anschließend gibt es den als Kuriosität zu verbuchenden allerersten Westernauf(t)ritt Eastwoods in Noch heute sollst du hängen aus dem Jahre 1956.
Harald Keller
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