: Stürmische Urbanisierung im neuen Großraum Berlin
■ DIW: Nachholbedarf des Ballungsgebietes / 300.000 Arbeitslose erwartet
Berlin (dpa) - Der Großraum Berlin wird in den kommenden Jahren eine Entwicklung nachholen, die sich im Urbanisierungsprozeß der bundesdeutschen und westeuropäischen Ballungsräume in den letzten drei Jahrzehnten vollzog. Dabei müsse für die nächsten ein bis zwei Jahre mit 300.000 Arbeitslosen gerechnet werden, meint das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im jüngsten Wochenbericht. Um der drohenden Zersiedlung der Landschaft zu begegnen, hält es die Schaffung eines Regional - und Zweckverbandes „Großraum Berlin“ mit Planungs- und Vollzugskompetenzen für die Flächennutzungs- und Standortplanung für erforderlich.
Das Berliner Institut argumentiert, bei Investoren wird längerfristig vor allem der Süden des Großraumes gefragt sein, sofern die Pläne der Lufthansa und der Interflug für den Bau eines Großflughafens dort verwirklicht würden. Mit der Hauptstadt- und Metropolenfunktion dürften die charakteristischen Strukturdefizite West-Berlins nach und nach verschwinden und der Standort Berlin vor allem für Dienstleistungsunternehmen eine neue Attraktivität erhalten. In den kommenden zehn bis 15 Jahren sei mit einer Ausbreitung gewerblicher Standorte innerhalb des Berliner Autobahnringes zu rechnen, mit einer deutlichen Schwerpunktsetzung im Süden.
Zum Großraum Berlin zählt das DIW die Region innerhalb eines 60-Kilometer-Radius um das Stadtzentrum. Sie hat mit einer Fläche von 7.336 Quadratkilometern die gleiche Größe wie die Region Hamburg, weist aber eine andere Struktur auf. So entfallen fast 80 Prozent der Bevölkerung auf das Gebiet der Kernstadt Berlin, während es in Hamburg und in München weniger als 60 Prozent sind. Die Einwohnerzahl betrug Ende 1989 rund 4,3 Millionen, etwa die Hälfte davon lebt in West -Berlin. Pendelverflechtungen bestehen nur zwischen Ost -Berlin und seinem Umland. Mit etwa 80.000 Arbeitsplatzpendlern haben sie für eine Millionenstadt einen geringen Umfang. In Hamburg betrug die Zahl der täglichen Berufspendler 1987 rund 175.000.
Im Großraum Berlin stehen fast 2,2 Millionen Arbeitsplätze zur Verfügung, davon etwa 43 Prozent in West-Berlin. Nach dem Krieg verlegten außer dem Pharmakonzern Schering alle großen Unternehmen ihre Zentralen ins Bundesgebiet. Dagegen ließen sich in Ost-Berlin 18 zentralgeleitete Industriekombinate nieder. Mit nahezu einer halben Million Arbeitsplätze im industriellen Bereich ist der Großraum Berlin auch heute eines der größten industriellen Ballungszentren in Deutschland. Dominierende Wirtschaftszweige sind die elektrotechnische Industrie mit einem Anteil von einem Drittel an allen Industriebeschäftigten sowie der Maschinen- und Fahrzeugbau, auf den 27,4 Prozent entfallen.
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