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Sturmwarnung über Santa Fu

■ Hamburger Häftlingsrevolte weitet sich aus / Justizsenator droht mit Polizeieinsatz

Hamburg (taz) - Die Häftlingsrevolte im Hamburger Knast „Santa Fu“ hat sich am gestrigen dritten Tag ausgeweitet, und Justizsenator Wolfgang Curilla droht jetzt mit einem Polizeieinsatz. Mittlerweile beteiligen sich über 250 Knackis an der Rebellion.

Am Dienstag abend schlossen sich überdies sechzig Gefangene der benachbarten Anstalt Suhrenkamp der Aktion an. Ein Teil der Inhaftierten kletterte über die Mauer ins „Santa Fu“, ein anderer Teil erklärte den Hof der Suhrenkamper „AnstaltVIII“ für besetzt. Justizsenator Curilla (SPD) hält jetzt eine Situation für denkbar, „wo eine friedliche Lösung nicht mehr möglich ist“.

Die Nacht zum Mittwoch haben die Gefangenen trotz Kälte in Decken gehüllt auf dem Anstaltshof verbracht, zwei von ihnen auf dem Dach der Knastkapelle. Gestern nachmittag gelang es dann rund zwanzig weiteren Häftlingen, auf das Dach zu steigen.

In der Justizbehörde jagt unterdessen eine Krisensitzung die andere. Gestern nachmittag bekräftigte Justizsenator Curilla sein Angebot, mit den Gefangenen reden zu wollen. Bedingung sei aber weiterhin, daß zuvor alle Knackis ihre Zellen wieder aufsuchen müßten. Dies lehnen die Rebellierer jedoch kategorisch ab, sie fordern statt dessen unverzügliche Verhandlungen mit Curilla im Beisein von Pressevertretern. Ein Sprecher der Inhaftierten sagte in einem Telefongespräch mit der taz aus der besetzten „Dora„ -Station heraus: „Wir haben in der Vergangenheit in Kommissionen ohne Öffentlichkeit verhandelt, und dann ist alles wieder im Sande verlaufen.“

Der Unmut der Knackis hatte sich am Montag abend spontan entladen, nachdem Curilla den Strafvollzug in den letzten Monaten auf Druck der Christdemokraten stetig verschärft hatte. Sie seien „schutzlos den Schikanen der Anstaltsleitung“ ausgesetzt, beklagten die Knackis. Willkürlich würden Anträge abgelehnt oder Beschwerden ignoriert. Daher fordern sie von der Justizbehörde die „Einhaltung des Strafvollzugsgesetzes“. Zudem wollen sie die Abschaffung des Isolationstrakts „DoraI“ durchsetzen.

In jüngster Zeit haben sich dort zwei Inhaftierte aufgehängt. Beide waren zuvor schon durch Selbstmordversuche aufgefallen, nach ihrem Aufenthalt in der Krankenstation jedoch ohne weitere Beobachtung oder therapeutische Betreuung wieder in „DoraI“ gesteckt worden.

Kai von Appen

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