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Contras bekommen Provinz geschenkt

Die Verzögerungstaktik der antisandinistischen Söldner zahlte sich in weitgehenden Zugeständnissen von Präsidentin Chamorro aus / Vorzugsbehandlung, eigene Polizei, Sonderrechte in einer Provinz von der Größe Hessens  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Nicaraguas Contras bekommen eine Provinz als Gegenleistung für die Entwaffnung ihrer Truppen. Die ehemaligen Söldner von Washingtons Gnaden werden in einem Gebiet von der Größe Hessens angesiedelt, dort ihre eigene Polizei stellen, an der Lokalregierung beteiligt sein und Vertreter in die Zentralregierung entsenden können. So verfügt es das sogenannte „Protokoll von Managua über die Entwaffnung“, das Mittwoch von Präsidentin Violeta Chamorro, Contra-Chef Israel Galeano alias Comandante Franklin und Kardinal Obando y Bravo unterzeichnet wurde.

Mit der Unterzeichnung dieses Protokolls tauschen die antisandinistischen Freischärler ihre militärische Macht gegen politische und wirtschaftliche ein. Sie bekommen vom Agrarreforminstitut sogenannte Entwicklungspole in der dünn besiedelten Südregion Rio San Juan und Atlantico Sur zugewiesen, die sie land- und forstwirtschaftlich nützen können.

Die Regierung verpflichtet sich, die Pole an das Wasser und Stromnetz sowie an das Verkehrssystem anzuschließen, Schulen, Gesundheitsposten und Lagerhäuser zu errichten kurz: alles, was in sandinistischen Entwicklungsprojekten vor nicht allzu langer Zeit noch Ziel von Contra-Attacken war.

Den Grundstock für die Viehwirtschaft durften die Contras bereits anlegen. Denn in den letzten Wochen sind in der Zone über 3.000 Rinder verschwunden. Die „Contra-Republik“ umfaßt fast ein Sechstel des Landes und wird sich vom Ostufer des Nicaragua-Sees bis zur Atlantikküste und von der Verbindungsstraße Managua-El Rama bis zum südlichen Grenzfluß Rio San Juan erstrecken. Nur eine ökologisch geschützte Waldreserve wurde ausdrücklich ausgenommen. Genossenschaften in der Zone, die mehrheitlich aus verarmten Bauern bestehen, die im Verlaufe des Krieges von ihren Parzellen vertrieben wurden, müssen jetzt weg. Die bescheidenen Holzhäuser werden bereits zerlegt, wie ein Augenzeuge bestätigte. Rio San Juan gehört zu den wenigen Regionen, wo die Sandinisten bei den Wahlen im Februar ihre Mehrheit halten konnten.

Die Contras verpflichteten sich zwar, die am 18. Mai ausgesetzte Entwaffnung wiederaufzunehmen, doch werden sie als Landpolizei bald von der Regierung wieder Waffen bekommen. Formal wird diese Polizei dem Innenministerium unterstehen. Die Ausbildung sollen „Berater“ aus einer befreundeten Nation übernehmen. Dem Vernehmen nach gibt es ein Abkommen mit Spanien. Für die nationale Armee, deren drastische Reduktion unmittelbar bevorsteht, wird das Gebiet tabu sein. Denn das Protokoll verfügt die Entmilitarisierung der Konfliktzone.

Die Verzögerungstaktik der Contras hat sich ausgezahlt. Chamorros Regierung kann sich aus wirtschaftlichen Gründen eine Verlängerung des latenten Kriegszustandes nicht leisten. Comandante Franklin konnte seine Bedingungen wie der General einer siegreichen Armee diktieren.

Der Ausverkauf an die langjährigen CIA-Schützlinge wurde fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit um 5 Uhr morgens unterzeichnet. Wegen des Muttertags, der in Nicaragua am 30. Mai gefeiert wird und alle Radioprogramme mit Grüßen und süßlichen Gesängen füllt, erregte der Pakt kaum Aufsehen und löste nicht einmal bei der sandinistischen Parlamentsfraktion Protest aus.

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