DDR will direkt mit der EG verhandeln

Ministerpräsident de Maiziere: „Wir sind jetzt mündig“ / Bangemann wies Zugeständnisse schon vor Besuch zurück / Die Verhandlungen über Übergangsregelungen werden bisher über Bonn geführt  ■  Aus Brüssel Michael Bullard

„Harmonisch“ soll die Integration der DDR in die EG verlaufen. Davon versuchte der neugebackene Europabürger, Lothar de Maiziere, am Freitag die EG-Kommission zu überzeugen. Denn Binnenmarktkommissar Bangemann hatte im Vorfeld des Besuchs deutlich machen lassen, daß die DDR mit keinerlei Konzessionen oder Ausnahmen zu rechnen habe.

Kernpunkt des Streits: Schutzzölle, die die DDR-Regierung gegen bestimmte, im einzelnen nicht aufgeführte Produkte aus der EG verhängen will. Die Kommissare sind gegen solche Schutzzölle, weil sie ihrer Meinung nach zu einer Festschreibung der innerdeutschen Wirtschaftsgrenze führen würden - zu einer Zeit, wo im Rest EG-Europas die Wirtschaftsgrenzen fallen. Trotz EG '92 blieb de Maiziere jedoch beharrlich: „Vor allem im Agrarbereich müßten die Übergangszeiten deutlich länger sein als in anderen Industriezweigen“.

Die Bundesregierung hatte letzte Woche einen Zeitplan für die Eingliederung der DDR-Landwirtschaft in die EG vorgelegt. Danach sollen bis zum 1.Januar 1991 alle Agrarvorschriften an die der EG angepaßt und die notwendigen Übergangsregelungen für die Aufnahme der DDR verabschiedet sein. Eine EG-Arbeitsgruppe macht sich zur Zeit Gedanken über die rechtliche Umsetzung dieses Zeitplans. Weil das nicht von heute auf morgen möglich sein wird, müssen schon im Vorfeld Übergangsfristen- und regelungen getroffen werden. Dazu finden Verhandlungen statt, in deren Zentrum die Bonner Regierung sitzt, die sich auf der einen Seite mit DDR-Vertretern bespricht und auf der anderen Seite mit der EG-Behörde und den Partnerregierungen. De Maiziere möchte jedoch, daß die DDR-Regierung direkt an diesen Verhandlungen beteiligt ist: „Wir sind aus einem vormundschaftlichen Verhältnis in ein mündiges hinübergewachsen. Jetzt wollen wir auch unseren Mund gebrauchen.“ Als Streitpunkt zwischen DDR und EG kristallisierte sich auch die Absicht der DDR -Regierung heraus, an den bisherigen Wirtschaftsverbindungen mit den RGW-Staaten festzuhalten. Denn die EG-Kommission ist nicht bereit, die bestehenden Verpflichtungen der DDR anzuerkennen, Produkte aus diesen Ländern zu beziehen. Nur die Lieferverpflichtungen der DDR scheint die EG-Kommission akzeptieren zu wollen. Wahrscheinlich wird sich dieses Problem jedoch von alleine lösen, weil die RGW-Länder nicht genügend Devisen haben, um nach dem 2.Juli ihre Importe aus der DDR bezahlen zu können.

Der DDR-Wegbereiter war aber auch nach Brüssel gereist, um vom Chef der EG-Kommission, Delors, und seinen Kommissaren die Zusage für Unterstützungs- und Trainingsprogramme zu bekommen, die die vielen Anpassungsschwierigkeiten erleichtern sollen. De Maiziere hofft auch auf die Hilfe der Kommission bei der Förderung der Ansiedlung westeuropäischer Unternehmen in der DDR.