piwik no script img

Weiter Weg ins Bonner Luftschloß

■ Grüne Kandidatenkür: Hadern bei der Prominenz und Rüffel für Ruffler

Wer der großen Politik ins Gesicht schauen will, muß Domshof und Osterdeich den Rücken kehren. Das meinen 97,4 Prozent aller BremerInnen, hat die FDP ermittelt. Und das meint auch Walter Ruffler. Allerdings möchte der grüne Energieexperte und Vorkämpfer für Wasserstoff und Weserkraft nicht nur noch Bonn gucken, sondern demnächst selber hinter die Politiker -Maske schlüpfen.

Schon vor vier Jahren hatte er sich seiner Partei als Kandidat für ein Bundestagsmandat empfohlen. Doch damit befand er sich in einer radikalen Minderheitenposition. Und auch den Erfolg seines zweiten Anlaufs schätzt Ruffler ähnlich ein: „Weniger denn mehr“ rechne er mit seiner Kür zum Kandidaten für die Wahl am 2. Dezember. So jedenfalls stöhnte er nach der grünen Mitgliederversammlung am Mittwoch abend.

Einen Schuldigen dafür hat Ruffler schon gefunden: den grünen Landesvorstand. „Die sind etwas drömmelig, die haben meine Kandidatur überhaupt nicht bekannt gemacht“, findet er und hat es den Parteichefs am Donnerstag abend auch persönlich gesagt. Die Beschwerde kam postwendend zurück: Ruffler solle nicht ständig im grünen Büro anrufen und Arbeitsaufträge verteilen, klagte die Geschäftsführerin Erika Genreith und rüffelte Ruffler: „Solange Du kein gewählter Kandidat bist, behandeln wir dich wie jedes andere Mitglied auch.“

Da haben es die restlichen drei AspirantInnen auf ein grünes Bremer Bundestagsmandat einfacher: Bundesvorstandssprecher Ralf Fücks, die derzeitige Abgeordnete Marieluise Beck -Oberdorf und die Grünen-Gründerin Christine Bernbacher können es sich leisten, mit ihrer Entscheidung zur Kandidatur öffentlich zu hadern. „Im Herzen habe ich das noch nicht entschieden“, sagt Beck-Oberdorf, die sowieso erstmal auf neue Beschlüsse in Sachen Rotation warten muß, um nach sechs Bundestagsjahren nochmal abgeordnet werden zu können. „Erst muß ich entscheiden, ob ich im Bundesvorstand bleibe. Falls nicht, richten sich meine Blicke eher auf einen neuen Anlauf für Rot-Grün in Bremen“, sagt ihr Lebensgefährte Fücks, schließt aber eine Bewerbung für Bonn auch nicht aus. Und Christine Bernbacher ist noch nichtmal selber auf die Idee gekommen: „Das ist von mehreren Seiten an mich herangetragen worden“, sagt sie, weiß aber noch nicht, ob sich der Job in Bonn „mit meinem häuslichen Rahmen in Einklang bringen läßt“.

Womöglich sind es am Ende aber weder Landesvorstand, innere Kämpfe noch häusliche Pflichten, die den direkten Weg in die Hauptstadt verstellen, sondern Bremens Kleinheit: Mindestens 12 Prozent brauchen die Weser-Grünen, sonst streiten Beck -Oberdorf und Bernbacher, Fücks und Ruffler nur um einen Platz im Luftschloß.

Rosi Roland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen