: Lebenshilfe zum Sterbenmüssen
■ Aidshilfe Bremen berät HIV-Infizierte / Gesprächskreise, Test-Beratung, Alltagshilfe
Am Anfang steht die Angst. - Das Grübeln über die Vergangenheit und vergessene Affären, Selbstvorwürfe, das Herumstochern im „Vorleben“ von Partnern, Zweifel... - die Angst vor Aids.
Einige, die das Problem nicht verdrängen oder sofort zum Test gehen, gehen zur Testberatung der Aidshilfe Bremen, einer vom Bund geförderten Kooperation von fünf Organisationen. Beteiligt: Das Rote Kreuz, das Rat und Tat -Zentrum, die Arbeiterwohlfahrt, die Häusliche Krankenpflege und die Arbeiterwohlfahrt.
Hier besteht die Möglichkeit, über Ängste zu reden, sich über Risiken und Chancen z.B. von „Safer Sex“ zu informieren, und über Sinn und Unsinn eines Testes zu diskutieren. Im Gespräch soll z.B. geklärt werden, ob tatsächlich ein Ansteckungsrisiko bestanden hat oder wie man mit dem Schock fertig werden kann: Ich bin HIV-positiv.
Oft kommen einige Wochen nach solchen Gesprächen die Betroffenen, die nun Gewißheit über ihre Infizierung haben, in die Beratungsstelle, weil sie allein ein Leben in Angst vor der Zukunft nicht bewältigen können, oder das Krankenhaus informiert auf Wunsch von Erkrankten die Mitarbeiter der Aidshilfe. Denn gerade homosexuelle und drogenabhängige Aidskranke haben meistens keinen Kontakt mehr zu Familienangehörigen. Hier beginnt die Hauptaufgabe der Aidshilfe: die Betreuung und Beratung von HIV -Infizierten und Aidskranken.
Für die Infizierten ist zunächst die psychische Unterstützung durch die Hilfestellen wichtig, die in Einzelgesprächen oder Selbsthilfegruppen an regelmäßigen Terminen über ihre Probleme, wie Angst vor dem Sterben oder Isolation, reden können. Dabei kommt es vor allem darauf an, „daß sich die Betroffenen untereinander helfen und dadurch ihr Alleinsein überwinden,“ so Rüdiger Schuhmacher, Koordinator der Aidshilfestellen in Bremen. Wenn die Betroffenen es wollen, informiert die Aidshilfe auch die Eltern, die oft im Glauben leben, ihr Sohn/ihre Tochter leide lediglich z.B. an einer Lungenentzündung. Auch die Partner von Infizierten können sich hier informieren.
Bei Behördengängen und bei der Wohnungssuche, die besonders für drogenabhängige Aidskranke fast aussichtslos ist, wird geholfen. Da viele Aidskranke in ein „zeitliches Loch“ fallen, wenn sie materiell versorgt sind, werden zusammen Aktivitäten geplant: Seit neuestem können sich z.B. Interessenten Kleider selbst nähen. Den bereits schwer an Aids Erkrankten wird durch Krankenpflege und hauswirtschaftliche Versorgung ein Aufenthalt zuhause ermöglicht. „So können sich die Kranken auch dafür entscheiden, zuhause zu sterben“, sagt Rüdiger Schuhmacher, „sie werden dann von uns versorgt“. Im letzten halben Jahr waren es fünf von den Mitarbeitern der Hilfestelle Aidshilfe Versorgte, die infolge ihrer Krankheit gestorben sind. „Einigen von ihnen wünschte man, daß sie schnell sterben konnten, so haben sie sich gequält, bei anderen ging es ganz schnell“, sagt Rüdiger Schuhmacher.
Antonie Nord
Kontaktadresse: Aidshilfe Bremen e.V., Am Dobben 66
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