„Für ein freies Kurdistan“

■ Demonstration in Bremen / Weit weniger TeilnehmerInnen als erwartet / Hauptredner: PKK-Verteidiger Schultz

„Für ein freies, unabhängiges und demokratisches Kurdistan„ -„Gegen jegliche Militär- und Wirtschaftshilfe der BRD für die Türkei“ demonstrierten am Samstag Mitglieder der Kurdistan-Solidarität Bremen, Hannover, Osnabrück und der YKWK (Verband patriotischer Arbeiter Kurdistan). Vergeblich hielten die Veranstalter am Hauptbahnhof allerdings nach den erwarteten tausend TeilnehmerInnen Ausschau: Nur 140 kamen im Regen. Warum, so fragten etliche, die sich bei ihrem Samstagseinkauf gestört fühlten, demonstriert man zu diesem Thema gerade in Bremen? Zumal sich Bremen durch ein besonders humanes Verfahren kurdischen AsylbewerberInnen gegenüber auszeichnet? Denn kurdische Flüchtlinge erhalten hier „Bleiberecht“, auch wenn ein Asylverfahren vom Verwaltungsgericht negativ beschieden wurde. Das besagt der 1988 erstmals in der BRD und nur in Bremen eingeführte „Kurdenerlaß“, den der Flüchtlingsrat zusammen mit Menschenrechtsorganisationen, den Grünen und

Teilen der SPD durchsetzen konnte.

Mit dem dreisten Drogenhandel türkischer Kurden Am Dobben 92 geriet der „Kurdenerlaß“ bis zur Räumung des Hauses am Freitag in die öffentliche Diskussion und Bremens Kurdenpolitik in Mißkredit. Darüber hinaus, so Hauptredner Hans-Eberhard Schultz auf der Kundgebung am Samstag, würde in CDU-Kreisen behauptet, daß mit „Drogengeld“ der bewaffnete Befreiungskampf in Kurdistan unterstützt werde. Der Bremer Rechtsanwalt und Verteidiger im Düsseldorfer Kurden-Prozeß, weiter: „Als Verteidiger im Prozeß gegen die PKK möchte ich dazu folgendes sagen: Es mag sein, daß irgendein Dealer das behauptet, auch ist es möglich, daß irgendeiner sein schlechtes Gewissen damit beruhigen will. Aber eines weiß ich genau: In den 200 Leitzordnern der Ermittlungsakten mit 5.000 Blatt Dokumenten und Unterlagen hat das BKA keinen einzigen Hinweis auf Finanzierung der PKK durch Drogen oder illegalen Waffen gefunden obgleich sie gar

nicht danach gesucht haben“.

Was allerdings, so Schultz, tatsächlich in großem Umfang aus der BRD nach Kurdistan gelangt, das seien Wirtschafts und Militärhilfen in Höhe von mehreren hundert Millionen Mark, Waffen und Kriegsgerät. Deutsche Firmen seien direkt an der Vernichtung des kurdischen Volkes beteiligt.

Wie bedrückend und un

menschlich die Situation in Türkisch-Kurdistan ist, hat Schultz als Mitglied einer Delegation von bundesdeutschen ParlamentarierInnen, PolitikerInnen und AnwältInnen bei einer Informationsreise in die Türkei im Mai erlebt. Zu der Gruppe gehörten Jutta Oesterle-Schwerin und Angelika Beer (MdB, Die Grünen), Ilona Hepp (Vorstand, AL Berlin), Alisa Fuss (Vizepräsidentin, In

ternationale Liga für Menschenrechte) und Rainer Ahues (Vorstand, Republikanischer AnwältInnen Verein). Die Delegation sei auf Schritt und Tritt von Polizei und Geheimdienst verfolgt und durch ständige Militärkontrollen belästigt worden. Offene und freie Gespräche mit Bürgermeistern, Gewerkschaften oder Rechtsanwälten seien kaum möglich gewesen. Denn die Polizei habe trotz Protest darauf bestanden, ständig bewaffnet und mit laufendem Tonband anwesend zu sein. Berichte von Augenzeugen, die auf Umwegen zu ihnen gelangten, hätten jedoch bestätigt, daß systematische Folterungen und Mord durch Militär und Polizei an der Tagesordnung sind. Mehr als 1.000 Dörfer seien bereits zerstört und die BewohnerInnen vertrieben worden. Dagegen setze sich die kurdische Bevölkerung inzwischen mit bewaffneten Volksaufständen zur Wehr. Die Delegation kam zu dem Schluß: „Die Türkei ist ein Polizeistaat, Türkisch -Kurdistan ein besetztes Land. Wir haben das selbst erfahren.“

bz