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Grüne haben zurückgesteckt

Der Grüne Hannes Kempmann über die rot-grüne Koalitionsvereinbarung zu Niedersachsens Atompolitik / Abschaltung des AKW Stade nicht festgeschrieben  ■ I N T E R V I E W

taz: Der rot-grüne Kompromiß für die niedersächsische Atompolitik steht. Bei Schacht Konrad und Gorleben haben sich die Grünen durchgesetzt. Welche Zugeständnisse habt ihr machen müssen?

Hannes Kempmann: Auch wir haben zurückstecken müssen. Mit unserem Ziel des sofortigen Abschaltens aller AKWs in Niedersachsen haben wir uns nicht durchsetzen können. Weil aber beide Endlagerstandorte gekippt worden sind und wir den Ausstieg beim AKW Stade beginnen werden, ist das Ganze ein Kompromiß, den wir noch verantworten können.

In der Koalitionsvereinbarung ist aber noch nicht einmal direkt vom Abschalten des AKW Stade die Rede.

Wir haben in allen Bereichen Formulierungen gewählt, die uns ermöglichen, unsere Ziele auch wirklich zu erreichen. Zu Stade durfte sich in der Koalitionsvereinbarung keine Formulierung finden, die uns der Betreiber in einer Gerichtsverhandlung über die kommende Stillegungsverfügung hätte um die Ohren hauen können.

Aber bietet die Forderung nach einer erneuten Sicherheitsüberprüfung von Stade der SPD nicht möglicherweise einen Weg, eine Stillegung am Ende doch zu umgehen?

Ich befürchte dies nicht. Gerhard Schröder selbst hat schon vor vier Jahren vor der versammelten Belegschaft des AKW Stade tapfer die Notwendigkeit der Stillegung vertreten. Im übrigen wird es bei allen Punkten der Koalitionsvereinbarung in den nächsten vier Jahren einen zähen Kampf um die Umsetzung geben.

Die rot-grünen Verhandlungen in Niedersachsen sind bisher überraschend konfliktarm über die Bühne gegangen, und auch von außen sind es fast ausschließlich die Bürgerinitiativen aus dem AKW- und Müllbereich, die explizit Ansprüche anmelden.

In diesen Verhandlungen sind beide Seiten zum Erfolg verurteilt, bei beiden Seiten drängt die Parteibasis auf eine rot-grüne Koalition. Bei der SPD hat inzwischen als letzter der Bezirk Weser-Ems ein rot-grünes Bündnis verlangt. Gerade die Bürgerinitiativen sollten allerdings nicht glauben, daß über die Koalitionsvereinbarung nun alle ihre Anliegen von oben, von der Regierung, verwirklicht werden könnten. Wir brauchen in Zukunft eher noch mehr als bisher den Druck der BIs.

Die Koalitionsvereinbarung sieht die atomrechtlichen Möglichkeiten der zukünftigen Landesregierung ziemlich pessimistisch. Zu den Zwischenlagern in Gorleben etwa enthält sie reine Meinungsäußerungen.

Das Atomgesetz ist nicht dazu gemacht worden, um AKWs abzuschalten, sondern um sie zu betreiben. Doch eine entschlossen handelnde Landesregierung wird die vereinbarten Ziele auch umsetzen. Allein beim Castor-Lager ist allerdings die Landesregierung weder Genehmigungs- noch Aufsichtsbehörde.

Wer garantiert denn entschlossenes Handeln? Dazu müßten doch die Grünen selbst in Zukunft die Atomabteilung des Landes leiten und kontrollieren.

Natürlich muß ein grünes Kabinettsmitglied Chefin oder Chef der Atomabteilung werden. Ab Donnerstag wird darüber mit der SPD gerungen werden.

Gerhard Schröder will aber das Umweltministerium samt Atomabteilung Monika Griefan unterstellen.

Dies ist uns bekannt, ändert aber nichts an unserer Forderung.

(Der Text der Koalitionsvereinbarung zur Atompolitik ist auf Seite 10 dokumentiert)

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