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Malerei

■ betr.: "Eine Königin lacht nicht", taz vom 22.5.90

betr.: „Eine Königin lacht nicht“ von Cees Nooteboom,

taz vom 22.5.90

Erst einmal vielen Dank, da Sie in Ihrer Zeitung einer doch recht subjektiven Ausstellungsbeschreibung so viel Platz einräumen. Ein hohes Risiko, aber in diesem Fall Glückwünsche, daß Sie es eingegangen sind. Die Gefahr liegt vor allem darin, daß die dem Artikel vorausstehende Tagespolitik in seiner ganzen Häßlichkeit nur noch verdrängt sein möchte. Überaus einfühlsam ist das „Nicht -Beschreibbare“ in der Malerei vermittelt - weswegen Maler ja auch zu Malern werden und nicht etwa zu Dichtern. Eine ähnliche Begegnung wie der Autor mit der Königin Anna Maria hatte ich vor etwa zehn Jahren mit Vermeers Mädchen mit dem blauen Turban, als ich sie unerwartet - wegen eines Umbaus des Haager Mauritshuis - im Amsterdamer Rijksmuseum antraf.

Dennoch möchte ich mich zum Konstruktionsproblem von Las Meninas äußern; vielmehr: Ich sehe kein Problem. Wer auch immer das Bild betrachtet, er/sie schlüpft für diesen Augenblick (im wahrsten Sinne des Wortes) in die Rolle des Königspaares, welches sich im Spiegel erblickt. Schon rein physikalisch ist nur diese Lösung möglich, weil sonst die frontale Spiegelung der beiden nicht zu erklären wäre. Velasquez läßt den Betrachter also mit den beiden Augenpaaren der Herrscher ihr Umfeld betrachten.

Der Betrachter schlüpft in diese Doppelrolle der personifizierten Macht so wie wir unsere Köpfe durch Ulkdekorationen stecken um uns fotografieren zu lassen. Und was erblicken wir durch die Augen der Herrscher? Ihre Sicht auf die sie umgebende Welt - das ermöglicht Velasquez für diesen Augenblick jedem vergangenen und zukünftigem Betrachter. Wir sehen das Herrscherpaar (uns) als Fktion ihrer selbst im Spiegel; eine phantastisch große Leinwand markiert die unsichtbare protokollarische Barriere, bis zu der sich unsere höfische Umwelt uns nähern darf (und wir uns ihr).

Aus dieser unausweichlichen, zeremoniellen Festgefrorenheit heraus sehen wir auf Mitglieder unseres engeren Hofstaates, die uns seinerseits - trotz relativer Zwangslosigkeit anschauen. Außer dem Hund natürlich, denn Hunde blicken nicht auf Könige. Im Hintergrund öffnet sich eine vage schimmernde Außenwelt - als Königspaar kennen wir diese nicht und können sie daher nicht genauer als wie dargestellt wahrnehmen. Im Grunde malt sich Velasquez selbst mit/durch die Augen von König und Königin und läßt uns daran teilhaben. So bestimmt er aus dem Hintergrund heraus die Komposition, alles mit Pinsel und Palette im Griff habend. Nicht nur rein formal überragt Velazqeuz selbst die Monarchen um Länge und Größe - die „Maler sind den Göttern am Nächsten“ (da Vinci, Traktat der Malerei, Band 1).

Und noch was: Rembrandt hat nicht barsch (so Nooteboom) gesagt: „Stecke Deine Nase nicht zu tief in meine Bilder...“, als ob er befürchte, sein Werk könnte als Schwindel enttarnt werden, sondern rät vielmehr seinen Atelierbesuchern zu Abstand: “...der Geruch der Farbe wird Sie belästigen.“ So Rembrandts Schülerschüler (Atelierenkel) Arnold Houbraken. Es entspricht lediglich einer durch seine „grobe Manier“ erforderlichen Anleitung zur Betrachtung. Dasselbe, nämlich Abstand und „starkes Licht“ empfiehlt er seinem Gönner Huygens zwecks Hängung eines geschenkten Bildes. Von Einschätzung seiner Manier als Schwindel keine Spur.

Aber das alles soll den Artikel Nootebooms in keiner Weise schmälern können. Im übrigen Kompliment auch für die einfühlsame Übersetzung von Helga von Benningen, das sollte ja auch nicht unerwähnt bleiben.

Andreas von Kopp, Köln

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