: Siegesstimmung und Skepsis in Gorleben
■ Zehn Jahre nach Räumung des antiatomaren Hüttendorfes sind die Aktivisten von einst nicht nur optimistisch
Just zehn Jahre nach der Räumung des legendären, von AKW -GegnerInnen gebauten Hüttendorfes auf dem Gorlebener Bohrloch 1.004 und der gewaltsamen Auflösung der „Freien Republik Wendland“ stehen die meisten Atomanlagen in Gorleben vor dem Aus. Auf Druck der Grünen wurde in den Koalitionsvereinbarungen der neu zu bildenden niedersächsischen Landesregierung festgeklopft, für das geplante Endlager und die Pilotkonditionierungsanlage keine weiteren Genehmigungen mehr zu erteilen.
„Dreizehn Jahre gekämpft und diese Vereinbarung ist nun der Sieg - so denken momentan viele hier im Landkreis“, sagt BI -Sprecher Wolfgang Ehmke. Doch gerade dieser Optimismus vieler AKW-Gegner aus dem Wendland stört den Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Er hat zwar nicht allzuviel an der rot-grünen Vereinbarung zum Ausstieg aus der Atomenergie auszusetzen - auch seiner Meinung nach ist sie ein „Mark- und Meilenstein, ein wichtiger Schritt vorwärts“ - , doch er sieht in ihr keineswegs den „Sieg der Anti-AKW-Bewegung im Wendland“. Bei der Ankündigung der rot -grünen Koalitionäre, für das Endlager Gorleben keine weiteren bergrechtlichen Genehmigungen mehr zu erteilen und so den Endlagerbau zu stoppen, fehlt dem BI-Sprecher etwa die Zusicherung, „dann auch die Endlagerschächte zuzuschütten“.
Daß die Koalitionsvereinbarung auch vom Widerruf der ersten Baugenehmigung für die Pilotkonditionierungsanlage Gorleben spricht, wertet Wolfgang Ehmke als vollen Erfolg. „Hier haben sich die Verhandlungskommissionen in der letzten Woche noch auf uns zu bewegt.“ Natürlich vermißt er auch hier den Punkt „Wiederaufforstung des PKA-Bauplatzes“. Selbst der Sprecher der Bürgerinitiative weiß, daß bei dem Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente „eine Landesregierung rechtlich nicht viel machen kann.“
Gerade weil in den Verhandlungen „wohl das rausgeholt worden ist, was rauszuholen war“, plagen den Vorstand der Bürgerinitiative jetzt auch Sorgen. „Die Politik auf der Straße ist jetzt für uns wieder chancenreich und interessant geworden. Wir müssen jetzt mehr tun und nicht weniger“ lauten die Parolen, die gar nicht der Siegesstimmung entsprechen. Die Bürgerinitiative will als nächstes von der Umweltministerkandidatin Monika Griefahn und vom Atomexperten der Grünen Hannes Kempmann einen konkreten Zeitplan für die angekündigten Maßnahmen verlangen.
Wenn der erste Transport mit abgebrannten Brennelementen auf den Weg zum Castor-Lager geschickt wird, „sollen Monika Griefahn und Hannes Kempmann in der ersten Reihe der Blockade sitzen. Das sollen sie uns zusagen“, sagt Wolfgang Ehmke. Atomtransporte, so steht es in der Koalitionsvereinbarung, will die künftige Landesregierung vorher ankündigen. Das gibt der BI bessere Chancen, sich auf Blockaden vorzubereiten.
Aber Gerhard Schröder hat schon am vergangenen Freitag klargemacht, daß seine Landesregierung auch dafür sorgen wolle, daß diese Transporte ihr Ziel erreichen. „Hier werden wir nicht fünfe gerade sein lassen“, hatte der SPD-Politiker gesagt. Massenhafte Blockaden der Castor-Transporte sind daher auch das nächste Ziel der Bürgerinitiative nach dem „Meilenstein“. Daß Atomtransporte ins Wendland „politisch nicht durchsetzbar sind“, soll das Resultat der Blockaden sein.
Eher Skepsis hat die rot-grüne Vereinbarung auf der anderen, der Betreiberseite ausgelöst. „Eine sachliche Begründung für die Nichteignung der Endlager Schacht Konrad und Gorleben gibt es nicht“, sagt etwa weiterhin der Sprecher des Bundesamtes für Strahlenschutz Eckart Viehl. Beim Endlager Gorleben gebe es einen Rechtsanspruch auf die Erteilung weiterer bergrechtlicher Genehmigungen. „Insgesamt ist es doch noch ziemlich unklar, wie die künftige Landesregirung ihre Ankündigungen rechtlich umsetzen will“, meint der Sprecher des Strahlenschutzamtes und er erwartet eine ganze Reihe von juristischen Auseinandersetzungen. Auch nach Meinung des Leiters der niedersächsischen Atomabteilung im Umweltministerium, Horst Zur Horst, hat sich die künftige Landesregierung „viel vorgenommen“. Er persönlich möchte allerdings in Zukunft nicht Stillegungs- statt Genehmigungsbescheide schreiben. „Ich wäre wohl kaum in der Lage, nun auf einen Schlag all das in Frage zu stellen, was ich immer für richtig gehalten habe.“ Er wird um seine Versetzung nachkommen und hofft, daß jetzt beide Seiten ein Interesse an einer einvernehmlichen Lösung haben werden.
Jürgen Voges
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