: Die CSFR-Kommunisten halten sich bedeckt
Die KPC macht sich im Wahlkampf unsichtbar / Trotz geschicktem Manövrieren in der Frage des Parteivermögens ist der Partei nicht viel übriggeblieben / Die neue Regierung läßt sich auf keinen Handel ein / Hoffnung für Historiker und Archivmäuse im KP-Archiv ■ Aus Prag Christian Semler
Das Bemerkenswerteste am Wahlkampf der Kommunistischen Partei der CSFR ist deren völlige Abwesenheit in der Hauptstadt Prag. Nur vom ersten Stock des Klement-Gottwald -Museums, das in diesem Frühjahr mit einer ungeschminkt ehrlichen Ausstellung zum Tiananmen-Massaker für so viele Geschichtslegenden Abbitte leistete, prangt ein Riesentransparent in leuchtendem Blau: Ohne Pluralismus keine Demokratie, ohne Kommunisten kein Pluralismus. Diese eher deduktive als agitatorisch zündende Losung kennzeichnet die Lage der Partei und ihre Aussichten bei den Wahlen am kommenden Wochenende. Verglichen mit den Kommunisten hier wirkt unser Gysi geradezu als Triumphator: Josef Hora, Sprecher des Vorstandes, räumt ein: Wir sind in der Defensive!
Aber der Prager Eindruck täuscht. Im Maßstab der CSFR haben die Kommunisten an die zwei Drittel ihrer ehemals 1,7 Millionen Mitglieder über die Wende gerettet. In vielen Verwaltungen und Betrieben geben sie noch den Ton an, zu ihren Anhängern zählen nicht nur Apparatschiks, die um ihre Zukunft zittern, sondern auch viele „ehrliche“ Genossen der mittleren und älteren Generation, die zäh an der Vorstellungswelt der Arbeiterbewegung festhalten, schließlich privilegierte Arbeiter - zumal in der Slowakai, wo der KPC ein gutes Wahlergebnis prognostiziert wird.
Allerdings sind zwei entscheidende Gruppen fast völlig aus der Partei desertiert - die Jugendlichen und die Intelligenz. Wenn man von dem agilen slowakischen Parteichef Peter Weiß absieht, um den sich das Fähnlein der unentwegten „Drittwegler“ und Austromarxisten sammelt, spielt sich theoretisch fast gar nichts ab. Die radikalen Reformen des Demokratischen Forums der Kommunisten haben sich zu Anfang des Jahres gespalten. Die Mehrheit ging, der Rest will bis zum Parteitag in der KPC ausharren in der Hoffnung, Namen, Personal und Programm ändern zu können. Mit den Forumsleuten ist eine zweite, linkssozialistische Strömung verbunden. Diesen beiden Tendenzen stehen die Fundamentalisten gegenüber, die wieder an der reinen Lehre anknüpfen möchten und eine vierte, sehr kleine Gruppe, die eigentlich alles richtig fand, was nach '68 geschah mit Ausnahme der korrupten und unfähigen Führung. Während in den Reformgruppen die Parteiintellektuellen und größere Teile der jetzigen Führung dominieren, können die Fundamentalisten auf Unterstützung der „Basis“, darunter auch zahlreicher kommunistischer Arbeiter rechnen. Sozialdemokratisierung oder „kommunistische Familien“ a la Marchais - noch während des Sommers werden die vier Strömungen ihre Plattformen vorlegen.
In der öffentlichen Diskussion sind die Kommunisten vollständig ausgegrenzt. Sie werden, da sowieso mit Bann belegt, auch kaum in die Schlammschlacht hineingezogen, in der jetzt tapfere Verfechter des Prager Frühlings wegen ihrer kommunistischen Vergangenheit vor 1968 unterzugehen drohen.
Ein Verbotsantrag gegen die KPC, lanciert von den Sozialdemokraten und einer Reihe ehemaliger Blockflöten, scheiterte am Bürgerforum und an der kritischen Öffentlichkeit. Im Unterschied zur PDS Gysis hat die KPC einiges getan, um dem Volkszorn zu entgehen - vor allem in der Frage des Parteivermögens.
Die Vermögenslage war im Grunde ähnlich wie bei der SED/PDS. Die KPC trennte sich in einer ersten Phase von einer Reihe von Immobilien und Unternehmungen, die verselbständigt wurden. Im Fall des Druckbetriebs von 'Rude Pravo‘, dem Zentralorgan, erwies sich diese Trennung sogar als fatal, denn die Zeitung muß jetzt mangels Druckkapazität und Papier kleinformatig und in niedriger Auflage herauskommen.
In schroffem Gegensatz zur PDS willigte die KPC dann in die Einsetzung einer Regierungskommission ein, die die Arbeit der KPC-Bilanzierer überprüfen und das an den Staat gehende Vermögen verteilen soll. Diese Kommission hat dieser Tage beschlossen, alle den Kommunisten zur Nutzung übergebenen Immobilien einzuziehen. Behalten möchte die Partei diejenigen Einrichtungen, die aus Mitgliederbeiträgen, die in Staatseigentum übergehen, Anteile halten. Natürlich hat die KPC die Auflistung einer Reihe von Unternehmungen „vergessen“. Welches Objekt aus welchen Mitteln finanziert wurde, ist oft strittig. Aber interessanterweise hat die Partei sich mit dem Prinzip einer öffentlichen, noch dazu von der Exekutive verantworteten Kontrolle einverstanden erklärt. Josef Hora meint dazu resigniert: „Was immer wir an Zahlen vorlegen, würde sowieso als betrügerisch abqualifiziert.“
Die der KPC aufgenötigte Transparenz hat noch einen weiteren Vorteil, der zwar nicht die Staatskasse, wohl aber alle Historiker und Archivmäuse bereichern wird. Die KPC will die Parteiarchive zwar nicht herausrücken, aber den Zugang internationalen Standards anpassen. Wir werden also bald nachlesen können, wie über 40 Jahre lang von einer trostlosen wie lächerlichen Personage Schicksal gespielt wurde.
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