: INTER-GLATZIALE
■ Fröhliche Eiszeit im Rathaus - Walter & Manfred Krug im Meinungsmix
Mitte der Woche berichteten die Springerschen Organe über einen geplatzten Glatzengipfel im Rathaus Schöneberg. Manfred Krug, Ex-Mega-Star der Zone, Serienrechtsanwalt, Brummifahrer, Zimmermann und dreitagebärtige Werbefläche, war vom ruhelos Regierenden sitzen gelassen worden. Ein gemeinsamer Fototermin der „beiden Lieblinge aus Kreuzberg“ ('Bild‘) zwecks Reklame für Krugs neuen Kinofilm „Der Neuner“ (Start am 8. November) scheiterte. Nach zehn Minuten Wartezeit auf den noch in einer Fraktionssitzung befindlichen Momper stürmte der notorische Rendezvousler Krug tobend aus der Regierungszentrale und gröhlte dabei folgendes in die Diktiergeräte der Boulevard-Reporter: „Wer ist eigentlich dieser Herr Momper? Wie werde ich hier behandelt! Da hätte ich ja gleich im Osten bleiben können. Zeit ist Geld!“ Als der freudestrahlende Momper („Krug ist ein Künstler, den ich sehr schätze“) auf der Szene erschien, war die Spur der Gallensteine spurlos verschwunden. Dem Regierenden blieb nichts, als durch einen seiner rasenden Referenten mitzuteilen, daß er zu einem neuen Date bereit sei. Die taz war dabei und hatte Gelegenheit, mit den beiden zu sprechen.
taz: Herr Krug, gehen Sie jetzt zurück in die Zone?
Krug: Nee, nee. Das Foto ist ja nun im Kasten, und meine Oldtimer und die Antik-Teppich-Sammlung wieder Richtung Osten zu bewegen, ist mir viel zu aufwendig. Außerdem kaufe ich - Gewohnheitssache wissen Sie- mein täglich Brot gern ohne anzustehen. Mit Herrn Momper habe ich auch schon über interessante Angebote im kommenden Gesamtberliner Wahlkampf gesprochen. Die Sache mit dem Frühstück im Bett hatte mir ja schon damals sehr imponiert, wir denken da jetzt an etwas noch knackigeres und bürgernäheres. Er und ich als Burger -Kings, aber auch die Nummer mit dem Weichspüler. Herr Momper als tugendhafter Regiermeister und ich bläulich -durchsichtiges schlechtes Gewissen hinter ihm. Als abgefetzter Liebling, der ihn zu unrasiertem, kalorienunbewußtem und promiskem Lebenswandel überreden will.
Herr Momper, wird das die AL und Teile der SPD-Fraktion nicht auf die Barrikaden bringen? Schließlich macht Herr Krug nicht nur Werbung für Magenbitter und Bier, sondern auch für die bundesdeutsche Pharma-Industrie.
Momper: Also, ich sehe das nicht so bierernst, und ich bin froh, das Herr Krug und ich, die wir ja beide für die gleichen Haarprobleme und ähnliche Lebensweisen stehen, zu diesem Joint-venture gekommen sind. Ich mache ein Standfoto für seinen Film, er hilft mir mit flotten Sprüchen über Bärbel Bohley und die PDS - aber auch mit volksnahen, fantasievollen und vertrauenerweckenden Statements zu den Themen Stromtrasse, KiTa, HMI und Aufgabenerweiterung für SenatorInnen im Falle Stadt- und Staatsnotständen. Allerdings wird Herr Krug dabei nie den roten Schal tragen, darauf habe ich als Original das Copyright.
Krug: Ich verzichte gerne drauf, weil das nicht mein Geschmack ist. Außerdem würde sich der Schlips-Hersteller beschweren, für den ich product-place...
Aber nochmal zurück zur Pharma-Industrie Herr Momper...
Momper: Ich habe überhaupt keine Probleme damit, daß Herr Krug in der Kampagne, auf die Sie anspielen, sich zum desolaten Zustand des DDR-Gesundheitswesens unumwunden äußert. Da kommt doch klar rüber, daß er sich bald wieder gern in einen DDR-Krankenwagen legen wird. Dann nämlich, wenn der von Daimler und der Inhalt von Schering ist. Das ist genau der Optimismus, den wir alle jetzt dringend brauchen. Ich sehe das als vertrauensbildende Maßnahme und Sie, Manfred, stimmen mir da sicher zu...
Krug: Klaro. Ich habe das ja nicht nur aus finanziellen Erwägungen gemacht, denn schließlich habe ich als in Sachen Werbung sehr toleranter Mensch ja immer auch noch lohnendere Angebote vorliegen. Ich habe den Pharma-Leuten auch deshalb für das zweite Quartal den Zuschlag gegeben, weil ich ja als ehemaliger DDR-Bürger eine Vergangenheit und eine Verantwortung habe.
Apropos Verantwortung, Herr Momper. Was ist eigentlich aus der im November letzten Jahres angekündigten Zusammenarbeit mit Udo Lindenberg geworden? Wir erinnern an die Worte: „Mit Ihren frechen Wünschen, bemerkenswerten Ratschlägen und ihren ungefragten Kommentaren würden Sie sich für jede Regierungskoalition als Partner eignen.“ Kommt jetzt Manfred statt Udo?
Momper: Also, auf dem wichtigsten Feld, dem der Sprache, das ich auch bei der Ordensverleihung hervorgehoben hatte, hat es ein Treffen zwischen mir und Udo gegeben. Er kam auf einem Abstecher von seinem Leipziger Konzert zu mir und legte mir nahe, beim Mauerbesteigen das Wort „geil“ nicht weiter überzustrapazieren. Ich habe das beherzigt, und mich an Udos griffigen Bildern orientiert. Seitdem war kein weiteres Treffen notwendig. Aber für den Herbst ist ein Termin am Scharmützel-See vereinbart, wo wir gemeinsam den „Sonderzug“ für den Wahlkampf 1991 umdichten werden...
Krug: Bei Herrn Momper könnte ich mir glatt vorstellen, daß dabei wiedermal ein „Sonderweg“ herauskommt, harr, harr.
Momper: ...Udo ist also noch nicht ganz aus dem Rennen. Warum sollte ich auch auf den Anti-Schwiegersohn verzichten, nur weil jetzt ein Ideal-Schwiegervater zur Verfügung steht. Das eine hat doch mit dem anderen gar nichts zu tun.
Herr Momper, wer ist eigentlich Herr Krug?
Momper: Ähh, ...
Krug: Was soll dies Frage unter der Gürtellinie? Ich denke ich habe durch meine deutlichen Worte in der 'Bild'-Zeitung sehr klar...
Momper: Das bringt uns hier jetzt nicht viel weiter denke ich. Ich für meinen Teil schätze gerade das Gebrochene an Herrn Krug sehr ... aber ich muß hier jetzt leider abbrechen, denn draußen wartet Herr Kolhoff. Er braucht mich als Trauzeugen, denn er wird heute versuchen, die illegitime Tochter von Günter Guillaume und Rut Brandt zu ehelichen. Diestel hat bereits grünes Licht gegeben - leider ohne seine Fraktion zu informieren.
Krug: Jetzt aber mal halblang. Erstens kann man doch über sowas nicht ernsthaft lachen, Herr Momper. Zweitens, wer sind Sie eigentlich? Und drittens, wo ist hier die Portokasse, meine Zeit ist knapp.
Momper: Aber Manfred, was haben Sie denn? Wir wollten doch noch über Ihren neuen Film sprechen und die Rolle die wir Ihnen für später... weil sie geben den Bauunternehmer aus Westdeutschland so herrlich schmierig wie wir das schon lange nicht mehr hatten hier.
Krug: Ob ich das Bau- oder das Finanzressort nehme, lasse ich Ihnen noch durch meinen Agenten mitteilen. Ich muß jetzt aber wirklich weg, nach Frankfurt, mit der Euro-Berlin. Nestle plant da eine große Pausenaktion zum 17. Juni, mit Lila Schokoladenpudding in der Volkskammer. Rot war der Osten schließlich lange genug. Und danach muß ich noch weiter nach Italien, um Beckenbauer die gemeinsame Sache mit den Thermo-Pane-Fenstern wieder auszureden.
Momper: Man gönnt sich ja sonst nichts.
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