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Ein Projekt der Konservativen

■ betr.: "Volkskammer wälzt Papierberge", taz vom 2.6.90

betr.: „Volkskammer wälzt Papierberge“, taz vom 2.6.90

Empört erkennt das Bündnis 90, daß mit dem Staatsvertrag alle entscheidenden Beschlüsse zukünftig auch offiziell in Bonn gefällt werden. Das Nein zum „schnellen“ Anschluß ist allerdings ebenso peinlich wie Proteste von Grünen und SPD -West oder PDS. Diese Wiedervereinigung habe man nicht gewollt, lautet der Tenor.

Hat man wirklich geglaubt, das entstehende Großdeutschland gestalten zu können? Diesen naiven Vorstellungen kann man nur deutlich entgegenhalten: Entweder man simmt der Wiedervereinigung zu. Diese „nationale Frage“ ist ohne jeden Zweifel ein Projekt der Konservativen und kann nur so verlaufen, wie es die CDU vorexerziert. Ökologische oder soziale Fragen haben hiermit überhaupt nichts zu tun. Denn für die Schafffung von Großdeutschland gibt es keine rationale Begründung, was zum Beispiel die willkürliche Festlegung der Grenzen zeigt: Warum nicht auch Österreich, Südtirol, Teile der Schweiz, das Elsaß und so weiter mitanschließen (ja, ja, ich höre schon den Vorwurf: übertrieben; aber wenigstens deutlich!)

Dieser Nationalstaat, der zweimal Europa in Schutt und Asche legte, kann nur mit der Gemeinsamkeit des „deutschen Blutes“ begründet werden - und mit dem Ende jeglicher Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus. AusländerInnenhaß und Antisemitismus sind logische Begleiterscheinungen.

Mit dem Modell Bismarck lassen sich Arbeitslosigkeit, Ozonloch oder Müllnotstand nicht bekämpfen. Probleme dieser Art werden eher verkleistert.

Oder aber man sagt Nein zur „Einheit“ und beginnt einen rationalen Diskurs - europäische, globale Zusammenarbeit als Stichwort. Entschuldigungen wie „Das haben wir nicht gewußt“ in Bezug auf bevorstehende Entwicklungen in Großdeutschland sind zwar altbekannt - aber auch hier völlig unglaubwürdig.

Marcus Schwarzbach, Immenhausen

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