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Q U E R S P A L T E Vom Geist der Lamadecke

■ oder: Das Wunder von Rom

Der vergangene Mittwoch abend hatte es in sich. „48 Stunden vor dem Anpfiff“ der Fußballweltmeisterschaft verkürzte die ARD die qualvolle Wartezeit um eine weitere Dreiviertelstunde. Unmittelbar danach wurde die „Tagesschau“ in einem neunzigminütigen Rückblick auf ihre 40jährige Geschichte seliggesprochen. Und bevor Joachim Fuchsberger seinen Talkgast Chris Howland begrüßen konnte, empfing Hanns -Joachim Friedrichs die „Tagesthemen„-Gemeinde zu einer Sendung, die - Zusammenfassung und Höhepunkt des Abends die Lage der Nation offenbarte. Im Mittelpunkt: die deutsche Wirtschaft. Ihr geht es prächtig, prächtiger denn je. 4,4 Prozent aktuelles Wachstum, sinkende Arbeitslosenzahlen, steigende Steuereinnahmen des Staates. Der Kommentator Jochen Schweizer reckte feldherrengleich den Kopf und machte Mut zur Zukunft der deutschen Einheit. Auch sie wird prächtig werden, denn sie wird uns (Westdeutsche) gar nichts kosten, im Gegenteil. Sie wird dafür sorgen, daß eins, zwei weitere Wachstumsprozente „noch oben drauf“ kommen. Glückliche Fügung: Für die sozialen Kosten müßten „ja sowieso“ die DDR-Bürger aufkommen - „Wer möchte da noch beckmesserisch sein?“ Bundesdeutsche Organisatoren von „Kaffeefahrten“ sind es jedenfalls nicht. Sie locken buslagenweise vorwiegend ältere DDR-Bürger mit billigen Tickets in den schönen Odenwald, um ihnen dort angeblich rheumaresistente „Lamadecken“ für 1.000 DM das Stück per „Kaufvertrag“ aufzuschwatzen - zahlbar nach dem 2. Juli!

Während der neueste Wachstumsschub als marktwirtschaftliche Neuauflage mittelalterlicher Straßenräuberei schon eingesetzt hat, zeigte ein weiterer Bericht, daß auch das Wachstum des Waldsterbens alles andere als beckmesserisch vorgeht. Wo die Wirtschaft brummt, da werden die Bäume eben sauer. Im österreichischen Vorarlberg, wo zwei Drittel des Waldes todkrank sind, werden jetzt in einem Großversuch von Hubschraubern „homöopathische Tropfen“ versprüht. Letzte Rettung oder letzte Ölung? Was der befragte deutsche Forstbiologe angesichts der „Komplexität der neuartigen Waldschäden“ pflichtgemäß als Scharlatanerie zurückwies, müßte dem deutschen Wachstumschauvinisten Schweizer gefallen. Denn Wirtschaftswunder brauchen Wunderwaffen, blinder Glaube lebt von Gläubigkeit. Der Geist der Lamadecke ist die säkulare Gläubigkeit hoffnungsloser Idiotie, die sich für die Zukunft hält, obwohl sie mit beiden Beinen fest in der Vergangenheit steht. Vorwärts zum „Wunder vom Rom!“

Reinhard Mohr

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