: Endet die Weisungbefugnis an der Grenze?
■ Der Koalitionsausschuß von SPD und AL konnte das Problem des Beamtentransfers nach Ost-Berlin nicht lösen / Atmosphäre bereinigt / Sitzung am Donnerstag bis spät in die Nacht / Formelkompromißvorschlag von Momper / Haltung zum Staatsvertrag erörtert
West-Berlin. Die Atmosphäre wurde bereinigt, in der Sache ist man sich aber nur unwesentlich näher gekommen: Diese Quintessenz läßt sich aus der Sitzung des Koalitionsausschusses von SPD und AL ziehen, die am Donnerstag bis in die späte Nacht hinein tagten. Im Mittelpunkt der Gespräche stand der umstrittene Beamtentransfer aus West- nach Ost-Berlin. Entsprechend hochkarätig besetzt war das Gremium vorgestern: Von seiten der SPD nahmen die Fraktionsspitze, der Regierende Bürgermeister, die Senatoren Meisner, Nagel sowie der Chef der Senatskanzlei, Schröder, teil, von seiten der AL Senatorin Schreyer und Mitglieder von Fraktions- und Parteivorstand. Umweltsenatorin Michaele Schreyer hatte darauf bestanden, den Transfer aus dem Hause Nagel auch zum Gegenstand des Koalitionsausschusses zu machen; der Bausenator hatte zwei hohe Mitarbeiter an Schreyer vorbei als Stellvertretende Stadträte in den Magistrat geschickt, die dort in dieser Funktion schon arbeiten. Übereinstimmend wurde von Sprechern beider Parteien betont, daß die Atmosphäre entspannter gewesen sei als bei vergleichbaren Sitzungen, das Problem konnte aber nicht grundsätzlich ausgeräumt werden.
Der Regierende Bürgermeister offerierte den Alternativen einen Formelkompromiß, den diese aber erst noch beraten wollen: Die Weisungsbefugnis der Stellvertretenden Stadträte solle jeweils an der Grenze enden, das heißt bei Amtshandlungen im Osten ist der jeweilige Westbeamte an die Richtungskompetenz des Magistrats gebunden, ähnliches gilt dann im Westen. Der Vorschlag der AL, die jeweiligen Beamten im Westen von ihrem Dienst freizustellen, um so Interessenskonflikte auszuschließen, fand bei der SPD keine Gegenliebe. Wie mit der Weisungsbefugnis im Konfliktfall verfahren werden soll, wurde wohlweislich offengelassen. Darüber hinaus wurde eine weiteres Gipfelgespräch zwischen Momper, Schreyer und dem Ostberliner Stadtrat für Stadtentwicklung und Wohnungswesen Thurmann (SPD) vereinbart.
Weiterer Gegenstand der Krisensitzung war das Procedere bei gemeinsamen Senats- und Magistratssitzungen. Die AL drängt darauf, nur bei „gemeinsam interessierenden Fragen“ auch gemeinsame Sitzungen zu veranstalten. Bei der ersten gemeinsamen Sitzung am kommenden Dienstag soll nun zuerst gemeinsam, dann getrennt nach Ost und West beraten werden.
Besprochen wurde auf der Sitzung auch das weitere Vorgehen bei den von der AL gewünschten Nachbesserungen der Koalitionsvereinbarungen, die ihrer Meinung nach seit der Maueröffnung überholt sind. Nach dem Rücktritt von Heidi Bischoff-Pflanz von ihrem Amt als Fraktionsvorsitzende hat die AL fünf Arbeitsgruppen zu den Bereichen Verfassung, Wirtschaft/Soziales/Wohnen, Umwelt, ImmigrantInnen/Flüchtlinge und Kinder/Jugend gebildet, deren Vorschläge jetzt vorliegen. Zwar hatte die SPD von Anfang an klargemacht, daß sie keine förmlichen Nachverhandlungen führen werde, der Landesvorstand hat aber beschlossen, zumindest Fachgespräche mit dem Koalitionspartner zu führen. Für den kommenden Montag wurde ein Termin anberaumt, in dem die Koalitionspartner Arbeitsgruppen bilden wollen. Zwar sind bis zur Mitgliedervollversammlung der AL am nächsten Wochenende, auf der sie wieder einmal über den Fortbestand der Koalition entscheiden will, keine konkreten Ergebnisse zu erwarten. Der SPD ist aber sehr daran gelegen, vor der VV zumindest noch ein Zeichen zu setzen, um ihr drängendes Interesse am Fortbestand von Rot-Grün zu signalisieren.
Am Rande des Gesprächs wurde auch die Haltung der Koalitionsparteien zum Staatsvertrag erörtert; während die SPD dazu tendiert, in Bundestag und Bundesrat zuzustimmen und auf Nachbesserungen zu beharren, plädierte AL/GA -Mitglied Wolf dafür, sich zu enthalten. Eine eindeutige Meinung zum Staatsvertrag gibt es derzeit in der AL noch nicht, die SPD geht aber davon aus, daß zumindest die AL -Fraktion dem Vertrag bei der förmlichen Übernahme im Abgeordnetenhaus zustimmen wird.
Kd
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